Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
Streit der Zwerge ging, war ihm ein Rätsel. Er verstand nicht mehr als ein paar Worte ihrer kehligen Sprache, aber das Thema war offensichtlich von größter Wichtigkeit, wie ihre lauten Stimmen verrieten, ebenso wie ihre hemmungslosen Gesten, ihr übertriebenes Mienenspiel und die Tatsache, dass sie ihn und Saphira glatt übersehen hatten.
Eragon lächelte, als sie vorbeigingen. Trotz ihres augenfälligen Ernstes fand er ihren Eifer recht komisch.
Zur großen Erleichterung der Varden war die Armee der Zwerge, angeführt von Orik, ihrem neuen König, vor zwei Tagen vor Dras-Leona eingetroffen. Die Zwerge und Rorans Sieg in Aroughs waren seither die Hauptgesprächsthemen überall im Lager. Die Zwerge hatten die Stärke der verbündeten Streitkräfte beinahe verdoppelt und würden die Aussicht der Varden, Urû’baen und Galbatorix zu erreichen, erheblich verbessern, falls sich eine Lösung für die Pattsituation mit Murtagh und Dorn finden ließ.
Auf ihrem Weg durch das Lager kamen sie auch an Katrinas Zelt vorbei. Sie saß draußen und strickte etwas für ihr noch ungeborenes Kind. Als sie aufsah und ihn bemerkte, hob sie die Hand zum Gruß und sagte: »Cousin!«
Er antwortete auf die gleiche Weise, wie sie es sich seit Katrinas Heirat mit Roran angewöhnt hatten.
Nachdem er und Saphira in aller Ruhe zu Mittag gegessen hatten – was viel Zerreißen und Zermalmen auf Saphiras Seite einschloss –, zogen sie sich auf ein weiches, sonnenbeschienenes Fleckchen Gras neben Eragons Zelt zurück. Auf Nasuadas Befehl wurde diese Stelle stets eigens für Saphira freigehalten – eine Vorschrift, die die Varden mit religiösem Eifer befolgten.
Dort rollte Saphira sich zusammen, um in der mittäglichen Wärme zu dösen, während Eragon die Domia abr Wyrda aus seinen Satteltaschen holte und dann unter ihren linken Flügel kroch, um sich in die teilweise im Schatten liegende Kuhle zwischen der Wölbung ihres Halses und ihrem muskulösen Vorderbein zu schmiegen. Das Licht, das durch die Falten ihres Flügels schien, und die Reflexionen ihrer Schuppen überzogen seine Haut mit einem seltsam violetten Ton und bedeckten die Seiten des Buches mit unregelmäßigen Lichtpunkten, die es ihm erschwerten, die dünnen, eckigen Runen zu lesen. Aber das kümmerte ihn nicht. Das Vergnügen, bei Saphira zu sitzen, machte die Unannehmlichkeit mehr als wett.
So saßen sie ein oder zwei Stunden beisammen, bis Saphira ihr Mahl verdaut hatte und Eragon etwas erschöpft war, die verwinkelten Sätze von Heslant dem Mönch zu entziffern. Dann wanderten sie gelangweilt durch das Lager, inspizierten die Verteidigungsanlagen und tauschten gelegentlich einige Worte mit den rings um das Lager aufgestellten Wachposten.
Am östlichen Rand des Lagers, wo sich der größte Teil der Zwerge niedergelassen hatte, stießen sie auf einen Zwerg, der neben einem Wassereimer hockte. Die Ärmel hatte er bis über die Ellbogen hochgekrempelt und mit den Händen einen faustgroßen Ball aus Dreck geformt. Zu seinen Füßen befand sich eine Schlammpfütze und daneben lag ein Stock, den er benutzt hatte, um den Schlamm anzurühren.
Der Anblick war so seltsam, dass Eragon erst nach einigen Augenblicken begriff, dass er Orik vor sich hatte.
»Derûndânn, Eragon … Saphira«, begrüßte Orik sie, ohne aufzusehen.
»Derûndânn«, erwiderte Eragon den traditionellen Zwergengruß und hockte sich auf die andere Seite der Pfütze. Er sah zu, wie Orik die Konturen der Kugel verfeinerte, indem er sie mit der äußeren Wölbung seines rechten Daumens glättete und formte. Immer wieder beugte Orik sich vor, nahm eine Handvoll trockenen Dreck und streute ihn über die gelbliche Kugel aus Erde, bevor er sachte den Überschuss abwischte.
»Ich hätte nie erwartet, dass ich den König der Zwerge auf dem Boden hocken und wie ein Kind im Schlamm spielen sehen würde«, bemerkte Eragon.
Orik schnaubte und blies von unten gegen seinen Schnurrbart. »Und ich hätte nie erwartet, dass ein Drache und ein Reiter mich anstarren, während ich einen Erôthknurl mache.«
»Und was ist ein Erôthknurl?«
»Ein Thardsvergûndnzmal.«
»Ein Thardsver …?« Eragon gab mitten im Wort auf, außerstande, sich den ganzen Ausdruck zu merken, geschweige denn, ihn richtig auszusprechen. »Und das ist …?«
»Etwas, was etwas anderes zu sein scheint, als es wirklich ist.« Orik hob die Dreckkugel hoch. »Wie das hier. Das ist ein aus Erde gemachter Stein. Oder vielmehr wird er so erscheinen,
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