Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
einen Vorteil verschaffen können, bleiben wir hier und marschieren nicht gegen Dras-Leona.«
Eragon hatte protestiert und eingewandt, dass es unklug sei, die Erstürmung der Stadt hinauszuzögern. Und was glaube sie, hatte er gefragt, wie er gegen Galbatorix bestehen solle, wenn er Murtagh nicht besiegen könne? Aber Nasuada hatte sich nicht überzeugen lassen.
Sie hatten – zusammen mit Arya, Bloëdhgarm und allen Magiern der Du Vrangr Gata – geplant, überlegt und nach Möglichkeiten gesucht, sich den Vorteil zu verschaffen, von dem Nasuada gesprochen hatte. Aber jede Strategie, die sie erwogen, hatte Schwachstellen, weil sie mehr Zeit und Mittel erforderte, als den Varden zur Verfügung standen, oder aber weil sie zu guter Letzt an der Frage scheiterte, wie sie Murtagh und Dorn töten, gefangen nehmen oder vertreiben sollten.
Nasuada war sogar zu Elva gegangen und hatte gefragt, ob sie ihre Fähigkeit nutzen würde – ihre Fähigkeit, den Schmerz anderer zu spüren, ebenso wie den Schmerz, der jemandem in unmittelbarer Zukunft bevorstand –, um Murtagh zu überwältigen oder um unentdeckt in die Stadt zu gelangen. Das Mädchen mit der silbernen Stirn hatte Nasuada ausgelacht und sie mit höhnischen Bemerkungen und Beschimpfungen weggeschickt: »Ich schulde weder dir noch irgendjemandem sonst Gefolgschaft, Nasuada. Such dir ein anderes Kind, das deine Schlachten für dich gewinnt. Ich werde es nicht tun.«
Und so warteten die Varden.
Ein ereignisloser Tag folgte auf den anderen und Eragon beobachtete, wie die Männer immer mürrischer und unzufriedener wurden und dass Nasuada sich immer größere Sorgen machte. Eine Armee, das begriff Eragon, war eine ausgehungerte, unersättliche Bestie, die sterben und sich in ihre Bestandteile auflösen würde, wenn nicht regelmäßig gewaltige Mengen an Nahrung in ihre vielen Tausend Mägen geschaufelt wurden. Wenn sie an einen neuen Ort zog, war es für eine Armee relativ einfach, Proviant und alles andere, was sie benötigte, im Umland zu beschlagnahmen, bis es dort nichts mehr zu holen gab. Wie eine Heuschreckenplage hinterließ der Zug der Varden so eine kahle Schneise quer durch das Land. Dort fehlte es der verbliebenen Bevölkerung dann an fast allem, was sie zum Leben brauchte.
Sobald die Varden aber länger an einem Ort blieben, erschöpften sich die Nahrungsvorräte in der unmittelbaren Umgebung rasch und sie waren gezwungen, ausschließlich von dem zu leben, was ihnen aus Surda und den verschiedenen eroberten Städten geliefert wurde. So großzügig die Bewohner Surdas und so reich die besiegten Städte auch waren, ihre regelmäßigen Lieferungen würden doch nicht reichen, um die Varden noch sehr viel länger zu ernähren.
Eragon wusste, dass die Krieger ihrer Sache mit großer Hingabe dienten. Aber wenn sie einem langen, qualvollen Hungertod ins Auge sehen müssten, der lediglich Galbatorix die Befriedigung verschaffen würde, voll Häme auf ihre Niederlage zu blicken, würden sich die meisten Männer dafür entscheiden, in irgendeine entlegene Ecke Alagaësias zu fliehen, wo sie den Rest ihres Lebens vor dem Imperium in Sicherheit sein würden. Daran zweifelte Eragon nicht.
Dieser Moment war noch nicht gekommen, aber er kam schnell näher.
Die Angst davor, so vermutete Eragon, hielt Nasuada jede Nacht wach, denn jeden Morgen wirkte sie verhärmter und die Ringe unter ihren Augen schienen ihm wie ein kleines, trauriges Lächeln.
Angesichts der Schwierigkeiten, denen sie sich in Dras-Leona gegenübersahen, war Eragon nicht nur dankbar, dass Roran es geschafft hatte, in Aroughs nicht genauso festzusitzen, sondern geradezu voller Bewunderung und Wertschätzung für das, was sein Cousin in der südlichen Stadt erreicht hatte. Er ist ein mutigerer Mann als ich. Nasuada würde es nicht gutheißen, aber Eragon war entschlossen, Roran gleich nach seiner Rückkehr – die in wenigen Tagen erwartet wurde – noch einmal mit umfassenden Schutzzaubern zu belegen. Eragon hatte bereits zu viele Mitglieder seiner Familie an das Imperium und Galbatorix verloren und er würde nicht zulassen, dass Roran das gleiche Schicksal ereilte.
Er blieb stehen, um drei streitende Zwerge vorbeizulassen, die den Weg vor ihm kreuzten. Die Zwerge trugen keine Helme oder Insignien, aber er wusste, dass sie nicht vom Dûrgrimst Ingietum waren, denn ihre geflochtenen Bärte waren mit Perlen versehen – eine Mode, die er beim Clan der Ingietum nie gesehen hatte. Worum es bei dem
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