Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
endlich beendet hatten, war die Nacht bereits dem Tag gewichen und die Morgensonne stand eine Handbreit über dem Horizont. In ihrem Licht wirkte der Schaden, den das Lager während des Angriffs genommen hatte, noch größer.
Eragon wäre am liebsten sofort mit Saphira und Glaedr aufgebrochen, aber Jörmundur bestand darauf, dass er als ihr neuer Anführer vorher zumindest einmal das Wort an die Varden richtete.
So stand Eragon kurz darauf, sobald die Armee versammelt war, auf der Ladefläche eines leeren Fuhrwerks und blickte über ein Meer ihm zugewandter Gesichter – einige menschlich und andere nicht – und wünschte, er wäre irgendwo anders, nur nicht hier.
Eragon hatte Roran zuvor um Rat gebeten und Roran hatte gesagt: »Vergiss nicht, sie sind nicht deine Feinde. Du hast von ihnen nichts zu befürchten. Sie wollen dich mögen. Sprich deutlich, sprich aufrichtig, und egal was du tust, behalte deine Zweifel für dich. Auf diese Weise wirst du sie für dich gewinnen. Sie werden ängstlich und bestürzt reagieren, wenn du ihnen von Nasuada erzählst. Gib ihnen den Rückhalt, den sie brauchen, und sie werden dir selbst durch die Tore Urû’baens folgen.«
Trotz Rorans ermutigenden Worten war Eragon vor seiner Ansprache etwas nervös. Er hatte bisher nur selten vor so vielen Leuten gestanden und dann niemals mehr als ein paar Worte gesprochen. Als er seinen Blick über die sonnenverbrannten, von der Schlacht gezeichneten Krieger vor sich wandern ließ, war er sicher, dass er lieber ganz allein gegen hundert Feinde gekämpft hätte, als die Missbilligung so vieler Leute zu riskieren.
Bis zu dem Moment, als er den Mund öffnete, wusste Eragon nicht, was genau er sagen würde. Doch sobald er begonnen hatte, schienen die Worte wie von selbst aus ihm herauszuströmen, aber er war so angespannt, dass er sich später kaum noch erinnern konnte, was er gesagt hatte. Die Rede verging wie im Flug. Danach erinnerte er sich hauptsächlich an Hitze und Schweiß, an das Stöhnen der Krieger, als sie von Nasuadas Schicksal erfuhren, an den heiseren Jubel, als er sie auf den Sieg einschwor, und an das übliche Gebrüll der Menge, als er zum Ende kam. Voller Erleichterung sprang er von der Ladefläche des Fuhrwerks und trat zu Arya und Orik, die bei Saphira standen.
Sofort bildeten seine Wachen einen Ring um die vier, schirmten sie von der Menge ab und hielten alle zurück, die mit ihm sprechen wollten.
»Gut gemacht, Eragon!«, gratulierte Orik ihm und klopfte ihm auf die Schulter.
»Wirklich?«, fragte Eragon benommen.
»Du warst sehr wortgewandt«, meinte Arya.
Eragon zuckte verlegen die Achseln. Er musste daran denken, dass Arya die meisten Anführer der Varden gekannt hatte, und er war überzeugt, dass Ajihad oder dessen Vorgänger Deynor eine bessere Ansprache gehalten hätten.
Orik zupfte ihn am Ärmel. Eragon beugte sich zu dem Zwerg hinunter und mit einer Stimme, die kaum durch den Lärm der Menge drang, sagte Orik: »Was immer du findest – ich hoffe, die Reise lohnt sich, mein Freund. Lasst euch nicht umbringen, eh?«
»Ich versuche es.«
Zu Eragons Überraschung packte Orik ihn am Unterarm und zog ihn in eine raue Umarmung. »Möge Gûntera über dich wachen.« Als sie sich voneinander lösten, beugte Orik sich vor und schlug Saphira mit der Hand auf die Flanke. »Und über dich auch, Saphira. Ich wünsche euch beiden eine sichere Reise.«
Saphira antwortete mit einem leisen Summen.
Eragon sah zu Arya hinüber. Er war plötzlich verlegen und unfähig, an irgendetwas anderes zu denken als an die naheliegendsten Dinge, und wusste nicht, was er sagen sollte. Die Schönheit ihrer Augen fesselte ihn noch immer. Die Wirkung, die sie auf ihn hatte, schien niemals nachzulassen.
Da umfasste sie seinen Kopf mit beiden Händen und küsste ihn einmal förmlich auf die Stirn.
Eragon starrte sie an wie vom Donner gerührt.
» Guliä waíse medh ono, Argetlam! « Das Glück sei mit dir, Silberhand!
Als sie ihn losließ, umfasste er ihre Hände. »Nichts Schlimmes wird uns zustoßen. Ich werde es nicht zulassen. Nicht einmal, wenn Galbatorix auf uns warten sollte. Wenn es sein muss, werde ich mit bloßen Händen Berge einreißen, aber ich verspreche dir, wir werden sicher zurückkommen.«
Bevor sie etwas antworten konnte, ließ er ihre Hände los und stieg auf Saphiras Rücken. Die Varden brachen erneut in Jubel aus, als sie sahen, wie er sich in den Sattel setzte. Er winkte ihnen zu und sie verstärkten ihren
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