Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
schwächer und mit mehr Mängeln behaftet, als ihm lieb war, und er hasste sich dafür. Aber es gab auch vieles daran zu bewundern, und je länger er darüber nachdachte, desto mehr konnte er den wahren Namen seines Ichs akzeptieren. Er war nicht der Beste, aber er war auch nicht der Schlechteste.
»Und ich werde nicht aufgeben«, knurrte er.
Er fand Trost in der Tatsache, dass seine Persönlichkeit nicht unveränderbar war. Er konnte sich verbessern, wenn er wollte. Und in diesem Moment schwor er sich, dass er es in der Zukunft besser machen würde, so schwer es auch sein würde.
Immer noch lachend, immer noch weinend wandte er das Gesicht zum Himmel und breitete die Arme aus. Mit der Zeit verebbten die Tränen und das Gelächter, und an ihre Stelle trat ein Gefühl tiefer Ruhe, überdeckt von einem Anflug von Glück und Resignation. Trotz Glaedrs Ermahnung flüsterte er abermals seinen wahren Namen und einmal mehr erzitterte sein ganzes Wesen unter der Wucht der Worte.
Er hielt seine Arme weiterhin ausgebreitet, stand auf, dann ließ er sich von der Säule nach vorn fallen und stürzte kopfüber auf den Boden zu. Kurz bevor er aufprallte, rief er » Vëoht! « und sein Tempo verlangsamte sich, er drehte sich und landete so sanft auf dem Platz, als sei er aus einer Kutsche gestiegen.
Er kehrte zu dem Springbrunnen zurück und holte sich seinen Umhang. Und als die ersten Strahlen des Morgenlichts auf die Ruinen der Stadt fielen, eilte er zurück zum Nisthaus, um Saphira zu wecken und ihr und Glaedr von seiner Entdeckung zu erzählen.
DAS VERLIES DER SEELEN
E
ragon hob sein Schwert und seinen Schild, denn er brannte darauf, den nächsten Schritt zu tun, doch er hatte auch ein wenig Angst davor.
Wie beim letzten Mal standen er und Saphira am Fuß des Felsens von Kuthian, während Glaedrs Herz der Herzen in der kleinen Schatulle lag, die verborgen in den Satteltaschen auf Saphiras Rücken steckte.
Es war noch früh am Morgen und die Sonne schien hell durch große Risse in der Wolkendecke. Eragon und Saphira hatten direkt zum Felsen von Kuthian gehen wollen, nachdem Eragon in das Nisthaus zurückgekehrt war. Aber Glaedr hatte darauf bestanden, dass Eragon zuerst etwas aß und dass sie dann noch etwas warteten, bis sich das Essen gesetzt hatte.
Doch jetzt standen sie endlich vor der schartigen Steinsäule und Eragon hatte das Warten ebenso satt wie Saphira.
Seit sie ihre wahren Namen miteinander geteilt hatten, schien das Band zwischen ihnen noch stärker geworden zu sein. Vielleicht weil sie beide gehört hatten, wie viel sie einander bedeuteten. Es war etwas, was sie immer gewusst hatten, trotzdem war es etwas anderes, es auf so unumstößliche Weise gesagt zu bekommen.
Irgendwo im Norden rief ein Rabe.
Ich werde den Anfang machen, sagte Glaedr. Wenn es eine Falle ist, löse ich sie vielleicht aus, bevor sie einen von euch fängt.
Eragon wollte gerade seinen Geist von Glaedr lösen und Saphira ebenfalls, damit der Drache seinen wahren Namen aussprechen konnte, ohne dass sie lauschten. Aber Glaedr sagte: Nein, ihr habt mir eure Namen verraten. Es ist nur recht, wenn ihr meinen erfahrt.
Eragon sah Saphira an, dann erwiderten sie beide: Vielen Dank, Ebrithil.
Dann sprach Glaedr seinen Namen und er donnerte in Eragons Geist wie eine Trompetenfanfare, königlich und dennoch misstönend, durch und durch gefärbt von Glaedrs Trauer und Zorn über Oromis’ Tod. Sein Name war länger als der von Eragon oder Saphira, er erstreckte sich über mehrere Sätze – eine Aufzeichnung eines Lebens, das Jahrhunderte gedauert hatte und das ungezählte Freuden und Schmerzen und Erfolge umfasste. Der Name offenbarte seine Weisheit, aber auch Widersprüchliches, Kompliziertes, was es schwer machte, seine Persönlichkeit ganz zu erfassen.
Saphira verspürte die gleiche Ehrfurcht wie Eragon, als sie Glaedrs Namen hörte. Der Klang der Worte zeigte ihnen beiden, wie jung sie noch waren und was für ein weiter Weg noch vor ihnen lag, bevor sie es mit Glaedrs Wissen und Erfahrung würden aufnehmen können.
Ich frage mich, wie Aryas wahrer Name lautet, dachte Eragon bei sich.
Gespannt beobachteten sie den Felsen von Kuthian, konnten jedoch keine Veränderung feststellen.
Saphira kam als Nächste. Sie warf den Kopf in den Nacken und scharrte mit den Klauen auf dem Boden wie ein temperamentvolles Streitross mit den Hufen, dann verkündete sie stolz ihren Namen. Selbst im Tageslicht schimmerten und funkelten ihre Schuppen
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