Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
dann treffen wir uns wieder an der Zitadelle.«
Roran nickte übertrieben, damit Jörmundur es sehen konnte. »Zu Befehl!«
Er fühlte sich jetzt sicherer, nachdem die anderen Krieger zu ihnen gestoßen waren, aber sein Unbehagen war noch immer da. Wo sind sie alle?, fragte er sich und starrte in die leeren Straßen. Galbatorix hatte angeblich eine ganze Armee in Urû’baen versammelt, aber bisher hatte Roran keinen Hinweis auf eine große Truppe gesehen. Es waren überraschend wenig Soldaten auf den Mauern gewesen, und diejenigen, die sie angetroffen hatten, waren früher als erwartet geflohen.
Er will uns in die Zitadelle locken, begriff Roran mit plötzlicher Gewissheit. Es ist alles ein Spiel, mit dem Ziel, uns zu überlisten. Er machte Jörmundur noch einmal auf sich aufmerksam und rief: »Irgendetwas stimmt hier nicht! Wo sind die Soldaten?«
Jörmundur runzelte die Stirn und wandte sich an König Orrin und Königin Islanzadi, die zu ihm aufgeschlossen waren. Seltsamerweise saß auf Islanzadis linker Schulter ein weißer Rabe, der die Krallen in ihren goldenen Korsettpanzer gegraben hatte.
Und noch immer setzten die Varden ihren Marsch in die Stadt fort, tiefer und tiefer nach Urû’baen hinein.
»Was ist los, Hammerfaust?«, knurrte Nar Garzhvog, während er sich einen Weg zu Roran bahnte.
Roran sah zu dem Kull mit dem massigen Kopf auf. »Ich weiß nicht recht. Galbatorix …«
Er vergaß, was er hatte sagen wollen, als ein Horn zwischen den Gebäuden vor ihnen erklang. Sein tiefer, Unheil verkündender Ton hielt fast eine Minute an und veranlasste die Varden, haltzumachen und sich besorgt umzusehen.
Eine schreckliche Ahnung beschlich Roran. »Das ist es«, sagte er zu Albriech. Dann drehte er sich um, schwenkte seinen Hammer und deutete auf eine Seite der Straße. »Dort hinüber!«, brüllte er. »Lauft zwischen die Gebäude und geht in Deckung!«
Sein Bataillon brauchte länger, um sich von der Kolonne der Krieger zu lösen, als es gebraucht hatte, um sich ihr anzuschließen. Ungeduldig brüllte Roran seine Männer weiter an, um sie anzutreiben. »Schneller, ihr jämmerlichen Hunde! Schneller!«
Das Horn ertönte abermals und endlich ließ Jörmundur die Armee haltmachen.
Inzwischen hatten Rorans Krieger sich in eine Nebenstraße zurückgezogen, wo sie auf seine Befehle warteten. Er stand zusammen mit Garzhvog und Horst an einer Hauswand und spähte um die Ecke, um herauszufinden, was vor sich ging.
Abermals erklang das Horn, dann hallte der Klang vieler schwerer Schritte durch Urû’baen.
Grauen beschlich Roran, als er Reihe um Reihe Soldaten von der Zitadelle her durch die Straßen marschieren sah. Die Formation war wohlgeordnet und die Gesichter der Soldaten zeigten nicht den geringsten Anflug von Furcht. An ihrer Spitze ritt ein untersetzter, breitschultriger Mann auf einem grauen Streitross. Er trug einen glänzenden Brustpanzer, der sich mehr als einen Fuß nach außen wölbte, als biete er einem dicken Bauch Platz. In der linken Hand trug er einen Schild mit einem Wappen, das eine Turmruine auf einem Felsgipfel zeigte. In der rechten hielt er eine Streitkeule. Die meisten Männer hätten wohl Schwierigkeiten gehabt, die schwere, dornenbewehrte Keule überhaupt anzuheben, aber er schwang sie mit Leichtigkeit hin und her.
Roran befeuchtete sich die Lippen. Er vermutete, dass der Mann kein anderer war als Graf Barst. Und wenn auch nur die Hälfte der Dinge, die er über den Mann gehört hatte, der Wahrheit entsprachen, dann wäre Barst niemals direkt auf eine gegnerische Streitmacht zugeritten, wenn er sich nicht absolut sicher wäre, dass er sie vernichten konnte.
Roran hatte genug gesehen. Er stieß sich von der Ecke des Gebäudes ab und sagte: »Wir werden nicht warten. Befehlt den anderen, uns zu folgen.«
»Du willst davonlaufen, Hammerfaust?«, grollte Nar Garzhvog.
»Nein«, sagte Roran. »Ich habe die Absicht, sie von der Seite anzugreifen. Nur ein Narr würde eine solche Armee frontal angreifen. Jetzt los!« Er gab dem Urgal einen Stoß, dann eilte er die Seitenstraße hinunter, um seine Position an der Spitze seiner Krieger einzunehmen. Und nur ein Narr würde sich direkt mit dem Mann im Kampf messen, den Galbatorix zum Anführer seiner Streitkräfte ernannt hat.
Während sie sich zwischen den dicht stehenden Gebäuden ihren Weg bahnten, hörte Roran, wie die Soldaten zu singen begannen: »Graf Barst! Graf Barst! Graf Barst!« Und sie stampften mit ihren genagelten
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