Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
sammelten sich am Rand der ärmlichen Siedlungen außerhalb der Mauern von Dras-Leona. Die Armee bot einen beeindruckenden Anblick. Eragon ließ sich davon jedoch nicht über die zerschrammten Schwerter, zerbeulten Helme und eingedellten Schilde der Krieger hinwegtäuschen, ebenso wenig wie über die schlecht geflickten Risse in ihren gepolsterten Wämsern und Kettenhemden. Wenn es ihnen gelang, Dras-Leona zu erobern, würden sie einen Teil ihrer Ausrüstung ersetzen können – wie sie es in Belatona getan hatten und davor in Feinster. Doch die Männer, die sie trugen, ließen sich nicht ersetzen.
Je länger sich der Krieg hinzieht, bemerkte er zu Saphira, desto leichter wird es für Galbatorix werden, uns zu besiegen, wenn wir in Urû’baen eintreffen.
Dann dürfen wir keine Zeit verlieren, erwiderte sie.
Eragon saß auf ihrem Rücken, neben ihm Nasuada in voller Rüstung auf Donnerkeil, ihrem feurigen schwarzen Streitross. Um sie herum hatten sich die zwölf Mitglieder seiner Elfengarde aufgestellt, dazu ebenso viele Nachtfalken. Nasuada hatte ihre Zahl für die Dauer der Schlacht von sechs auf zwölf Krieger erhöht. Die Elfen waren zu Fuß – da sie nur Pferde ritten, die sie selbst großgezogen und ausgebildet hatten –, während sämtliche Nachtfalken im Sattel saßen, die Urgals eingeschlossen. Zehn Schritte weiter rechts folgten König Orrin und seine Adjutanten, die allesamt einen bunten Federbusch auf dem Helm trugen. Narheim, der Befehlshaber der Zwerge, und Garzhvog standen beide bei ihren jeweiligen Truppen.
Nachdem sie sich zugenickt hatten, gaben Nasuada und König Orrin ihrem Pferd die Sporen und trabten auf die Stadt zu. Eragon hielt sich mit der linken Hand an der Halszacke vor sich fest, als Saphira sich in Bewegung setzte, um den beiden zu folgen.
Nasuada und König Orrin zügelten ihre Pferde, bevor sie die ersten baufälligen Hütten erreichten. Auf ihr Signal hin ritten zwei Herolde – einer trug die Standarte der Varden, der andere die Surdas – die schmale Straße weiter, die durch das Labyrinth der Hütten zum Südtor von Dras-Leona führte.
Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgte Eragon den Weg der Herolde. Die Stadt wirkte unnatürlich still und verlassen. In ganz Dras-Leona war niemand zu sehen, nicht einmal auf den Wehrgängen der dicken gelben Mauer, auf der Hunderte von Galbatorix’ Soldaten hätten postiert sein sollen.
Die Luft riecht nicht, wie sie riechen sollte, bemerkte Saphira und knurrte ganz leise, was trotzdem Nasuadas Aufmerksamkeit auf sich zog.
Am Fuß der Mauer rief der Herold der Varden mit einer Stimme, die bis zu Eragon und Saphira schallte: »Seid gegrüßt! Im Namen Nasuadas, Anführerin der Varden, und König Orrins von Surda, ebenso wie im Namen aller freien Völker Alagaësias bitten wir Euch, die Tore zu öffnen, damit wir Eurem Herrn und Meister, Marcus Tábor, eine Botschaft von großer Wichtigkeit überbringen können. Sie wird für ihn von großem Nutzen sein, ebenso wie für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in Dras-Leona.«
Von irgendwo hinter der Mauer antwortete ein Mann, der nicht zu sehen war. »Diese Tore werden sich nicht öffnen. Tragt hier vor, was Ihr zu sagen habt.«
»Sprecht Ihr für Fürst Tábor?«
»Ja.«
»Dann bitten wir Euch, ihm ins Gedächtnis zu rufen, dass Gespräche über Staatsangelegenheiten besser in der Ungestörtheit privater Räumlichkeiten geführt werden als draußen im Freien, wo jeder zuhören kann.«
»Ich nehme keine Befehle von dir entgegen, Lakai! Überbringe deine Botschaft – und zwar rasch, bevor ich die Geduld verliere und dich mit Pfeilen spicke.«
Eragon war beeindruckt. Der Herold wirkte von der Drohung weder verängstigt noch eingeschüchtert, sondern fuhr ohne zu zögern fort: »Wie Ihr wünscht. Unsere Lehnsherren bieten Fürst Tábor und allen Bewohnern Dras-Leonas Frieden und Freundschaft. Nicht mit Euch liegen wir im Streit, sondern mit Galbatorix, und wir würden nicht gegen Euch kämpfen, wenn wir die Wahl hätten. Verfolgen wir nicht ein gemeinsames Ziel? Viele von uns haben einst im Imperium gelebt und wir sind nur deshalb fortgegangen, weil Galbatorix’ grausame Herrschaft uns aus unseren Ländern vertrieben hat. Wir sind ein Volk vom gleichen Fleisch und Blut. Schließt Euch uns an und wir können uns gemeinsam von dem Thronräuber befreien, der jetzt in Urû’baen sitzt.
Nehmt Ihr unser Angebot an, garantieren unsere Lehnsherren für die Sicherheit Fürst Tábors und seiner
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