Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
bei ihm geblieben waren, reichen würden, um jeden fernen Beobachter davon zu überzeugen, dass der größte Teil seiner Truppen sich noch immer im Lager aufhielt.
Seine erste Annahme hatte sich ganz eindeutig als Fehler erwiesen. Ob die Verteidiger von Aroughs seine List durchschaut hatten, konnte er nicht sagen, aber er hielt es für wahrscheinlich, angesichts der recht begrenzten Zahl von Reitern, die sich vor der Stadt sammelte. Wenn die Soldaten oder ihre Kommandanten damit gerechnet hätten, der vollen Stärke von Rorans Kompanie gegenüberzustehen, hätten sie wohl doppelt so viele Männer ins Feld geschickt. In jedem Fall musste er eine Möglichkeit finden, ihren Angriff abzuwehren und seine Männer davor zu bewahren, abgeschlachtet zu werden.
Baldor, Carn und Brigman kamen angerannt, Waffen in den Händen. Während Carn hastig ein Kettenhemd überstreifte, fragte Baldor: »Was machen wir jetzt?«
»Wir können gar nichts tun«, sagte Brigman. »Ihr habt mit Eurer Torheit den ganzen Feldzug zum Scheitern verurteilt, Hammerfaust. Wir müssen fliehen – auf der Stelle –, bevor diese verfluchten Reiter uns in Stücke reißen.«
Roran spuckte aus. »Rückzug? Wir werden nicht den Rückzug antreten. Die Männer können zu Fuß nicht entkommen, und selbst wenn sie es könnten, würde ich unsere Verletzten nicht im Stich lassen.«
»Versteht Ihr denn nicht? Wir sind verloren. Wenn wir hierbleiben, werden sie uns töten – oder schlimmer noch, gefangen nehmen!«
»Lass es gut sein, Brigman! Ich habe nicht vor, jetzt davonzulaufen!«
»Warum nicht? Damit Ihr nicht zugeben müsst, dass Ihr versagt habt? Weil Ihr hofft, in einer letzten, sinnlosen Schlacht etwas von Eurer Ehre zu retten? Ist es das? Begreift Ihr nicht, dass Ihr den Varden damit nur noch größeren Schaden zufügt?«
Mit lauten Hurra-Rufen – die selbst auf diese Entfernung gut zu hören waren – rissen die Reiter vor der Stadt ihre Schwerter und Speere in die Höhe und gruben ihren Rössern die Sporen in die Flanken. Kurz darauf donnerten sie im vollen Galopp über die leicht ansteigende Ebene auf das Lager der Varden zu.
Brigman setzte seine Tirade fort: »Ich werde nicht zulassen, dass Ihr unser Leben opfert, nur um Euren Stolz zu befriedigen. Bleibt, wenn Ihr unbedingt wollt, aber …«
»Ruhe!«, brüllte Roran. »Halt’s Maul, bevor ich es dir stopfe! Baldor, bewach ihn. Wenn er irgendetwas macht, was dir nicht gefällt, lass ihn die Spitze deines Schwertes spüren.« Brigman schäumte vor Wut, doch er hielt seine Zunge im Zaum, als Baldor sein Schwert hob und es auf Brigmans Brust richtete.
Roran schätzte, dass sie vielleicht fünf Minuten hatten, um über ihr weiteres Vorgehen zu entscheiden. Fünf Minuten, von denen so vieles abhing.
Er überlegte, ob sie genug Reiter würden töten oder verstümmeln können, um den Rest in die Flucht zu schlagen, aber diese Möglichkeit verwarf er sofort wieder. Es gab nirgendwo auf der weiten Ebene eine Stelle, wo seine Männer die Reiter in die Enge treiben könnten.
Wir können nicht siegen, wenn wir kämpfen, also … Wie wäre es, wenn wir sie erschrecken? Aber wie? Ein Feuer? Feuer konnte sich für Freund und Feind als gleichermaßen tödlich erweisen. Außerdem würde das feuchte Gras nur schwelen. Rauch? Nein, der war keine Hilfe.
Er warf Carn einen Blick zu. »Kannst du ein Bild von Saphira heraufbeschwören und sie brüllen und Feuer speien lassen, dass es richtig echt wirkt?«
Alle Farbe wich aus dem schmalen Gesicht des Magiers. Er schüttelte panisch den Kopf. »Vielleicht. Ich weiß es nicht, ich habe es noch nie versucht. Ich müsste aus dem Gedächtnis ein Bild von ihr schaffen. Es wird vielleicht nicht einmal aussehen wie ein lebendiges Wesen.« Er deutete mit dem Kopf auf die herangaloppierenden Reiter. »Sie würden merken, dass irgendetwas nicht stimmt.«
Roran grub die Fingernägel in seine Handflächen. Vier Minuten noch, wenn überhaupt.
»Es könnte einen Versuch wert sein …«, murmelte er. »Wir müssen sie nur ablenken, sie verwirren …« Er schaute zum Himmel auf und hoffte, eine Regenwand auf das Lager zukommen zu sehen, aber nur ein paar kleine Wölkchen standen hoch am Himmel. Verwirrung, Unsicherheit, Zweifel … Wovor fürchten die Leute sich? Vor dem Unbekannten, vor Dingen, die sie nicht verstehen … davor fürchten sie sich.
Augenblicklich dachte sich Roran ein halbes Dutzend Pläne aus, um den Kampfgeist ihrer Widersacher zu schwächen, einer
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