Erbarmen
dass Carl sein Erspartes so anlegen sollte, würde der Berater in der Lokalbank in Allerød nie kommen. Er zog noch einmal kräftig an seiner Zigarette, dann drückte er sie aus. Nein, das konnte Carl sich lebhaft vorstellen. Mit so etwas wollten die Mitglieder der pazifistischen Partei Radikales Centrum mit Sicherheit nicht in Zusammenhang gebracht werden.
»Außerdem habe ich unwissentlich zwei meiner Immobilien an Bordellbesitzer vermietet. Anfangs hatte ich keine Ahnung, was dort vor sich ging, aber ich fand es heraus. Und unternahm nichts. Sie lagen in Strøby Egede, also ganz in der Nähe von Meretes Wohnung. Und man redete dort darüber. Ich hatte in dieser Phase viele Sachen laufen. Leider habe ich Merete gegenüber mit meinen Geschäften geprahlt. Ich war so verliebt, und sie war so desinteressiert. Vielleicht habe ich gehofft, mit ein bisschen großspurigem Auftreten ihr Interesse wecken zu können. Aber das ging natürlich daneben.« Er massierte mit der Linken seinen Nacken. »So war sie doch überhaupt nicht.«
Carl sah dem Rauch seiner Zigarette nach, bis er sich im Raum aufgelöst hatte. »Und Merete Lynggaard hat Sie gebeten, mit diesen Geschäften aufzuhören?«
»Nein, das hat sie nicht.«
»Was dann?«
»Sie sagte, sie würde es vielleicht aus Versehen ihrer damaligen Assistentin Marion Koch erzählen. Was gemeint war, lag auf der Hand. Dann hätte es sofort jeder gewusst. Merete hat mich nur gewarnt.«
»Warum interessierte sie sich überhaupt für Ihre Geschichten?«
»Das tat sie ja eben nicht. Das war doch der Grund für alles.« Er seufzte und stützte den Kopf in beide Hände. »Ich hatte mich so lange um sie bemüht, dass sie mich am Ende einfach nur noch loswerden wollte. Und auf diese Weise bekam sie ihren Willen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie, wenn ich sie weiter so unter Druck gesetzt hätte, die Informationen über mich lanciert hätte. Verdammt, was sonst hätte sie denn auch tun sollen?«
»Also ließen Sie Merete daraufhin in Ruhe, betrieben aber weiter Ihre Geschäfte?«
»Ich kündigte die Mietverträge der Bordelle, aber die Aktien behielt ich. Die habe ich erst eine ganze Weile nach dem 11. September verkauft.«
Carl nickte. Ja, an dieser Katastrophe waren viele reich geworden.
»Was haben Sie daran verdient?«
Baggesen hob den Kopf. »Gut und gerne zehn Millionen Kronen.«
Carl schob die Unterlippe vor. »Und dann haben Sie Merete umgebracht, damit sie nicht damit an die Öffentlichkeit geht?« Der Parlamentarier zuckte zusammen. Jetzt erkannte Carl das erschrockene Gesicht vom letzten Mal, als er mit ihm ins Gericht gegangen war.
»Nein, aber nein, warum sollte ich! Ich hatte bei dem, was ich getan hatte, ja gegen keinerlei Gesetz verstoßen. Es wäre nichts anderes passiert, als das, was ich heute selbst in die Hand nehmen werde.«
»Man hätte Sie gebeten, die Fraktion zu verlassen? Und heute gehen Sie selbst?«
Sein Blick flackerte und wanderte durch den Raum. Erst als er seine Initialen in der Liste der Verdächtigen auf der Pinnwand entdeckte, kam sein Blick zur Ruhe.
»Das da«, er deutete auf die Tafel, »können Sie ruhig streichen.« Er stand auf und ging.
Assad erschien erst gegen fünfzehn Uhr auf der Arbeit. Beträchtlich später, als man von einem Mann mit seinen bescheidenen Qualifikationen und seiner exponierten Lage erwartet hätte. Carl überlegte kurz, ob er die Gelegenheit für eine Zurechtweisung nutzen sollte. Doch Assad sah so froh und so begeistert aus, dass ihm die Lust darauf sofort wieder verging.
»Was um alles in der Welt hast du so lange gemacht?«, fragte er stattdessen und deutete auf die Wanduhr.
»Carl, ich soll dich von Hardy grüßen. Du hast mich selbst zu ihm geschickt.«
»Bist du etwa sieben Stunden lang bei Hardy gewesen?« Er deutete noch einmal zur Uhr.
Assad schüttelte den Kopf. »Ich hatte ihm doch erzählt, was ich von dem Fahrradmord wusste. Und weißt du, was er gesagt hat?«
»Er hat dir erzählt, wer der Mörder ist.«
Verblüfft sah Assad ihn an. »Du kennst ihn wirklich gut, Carl. Ja, genau das hat er gemacht.«
»Aber kaum, indem er einen Namen genannt hat, denke ich mir.«
»Einen Namen? Nein. Aber er sagte, man sollte nach einer Person suchen, die für die Kinder der Zeugin von Bedeutung ist. Kein Lehrer oder jemand von den Kindertagesstätten, sondern einen Menschen, von dem sie wirklich sehr abhängig sind. Der Exmann der Zeugin oder ein Arzt oder vielleicht jemand, zu dem die Kinder
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