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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Morten war kein Ersatz, er war die beste und gewissermaßen richtigste Hausfrau, die je in Carls Nähe gekommen war. Einkauf, Wäsche, Essenkochen und Saubermachen, und dabei trillerte er Opernarien. Und zahlte außerdem brav seine Miete.
    »Na, Morten, warst du heute in der Uni?« Carl kannte die Antwort. Dreiunddreißig war Morten inzwischen, und in den vergangenen dreizehn Jahren hatte er fleißig alle möglichen Fächer studiert, außer denen, für die er gerade eingeschrieben war. Das Ergebnis war ein beeindruckendes Wissen auf den verschiedensten Gebieten, nur nicht in den Fächern, für die er ein Stipendium bekommen hatte.
    Morten wandte ihm seinen massigen Rücken zu, starrte in den Topf und rührte die heftig brodelnde Masse um. »Ich habe beschlossen, dass ich Staatswissenschaften studiere.«
    Die Idee war nicht neu, es war also nur eine Frage der Zeit gewesen. »Bei den Politikwissenschaftlern stimmen die meisten für die Regierungsparteien. Das bin ich nicht.«
    »Verdammt, Morten, woher willst du das denn wissen. Wann warst du denn schon mal da?«
    »Gestern zum Beispiel. Ich hab meinen Kommilitonen in der AG einen Witz über Karina Jensen erzählt.«
    »Einen Witz über eine Politikerin, die mal ganz weit links war und jetzt bei den Liberalen gelandet ist? Das dürfte nicht allzu schwer sein.«
    »Sie ist ein Beispiel dafür, wie sich hinter einer hohen Stirn der reinste Schwachsinn verbergen kann. Und glaubst du, es hätte einer gelacht?«
    Morten war speziell. Eine von der Natur nicht allzu gesegnete, androgyne Jungfrau, deren soziale Kontakte sich auf Plaudereien mit Kunden an der Supermarkttheke beschränkten.
    Carl schüttelte den Kopf. Es nützte alles nichts. Solange Morten in dem Videoverleih genug für die Miete verdiente, konnte es ihm egal sein, ob er studierte. »Staatswissenschaften, sagst du. Klingt sterbenslangweilig.«
    Morten zuckte die Achseln und schnippelte ein paar Mohrrüben in den Topf. Er schwieg einen Moment, ganz ungewöhnlich für ihn. Carl ahnte schon, was kommen würde.
    »Vigga hat angerufen.« Morten klang ein bisschen gedämpft und trat einen Schritt zur Seite. Normalerweise pflegte er sonst immer zu sagen: »Don't shoot me, I'm only the piano player.« Diesmal sagte er das nicht.
    Carl schwieg. Wenn Vigga etwas von ihm wollte, sollte sie gefälligst warten, bis er nach Hause gekommen war.
    Morten gab sich einen Ruck. »Ich glaube, sie friert da draußen im Gartenhaus.« Er rührte eifrig im Topf.
    Carl sah ihn an. Das Essen duftete wunderbar. Schon lange hatte er nicht mehr solchen Appetit gehabt. »Och je, sie friert! Vielleicht sollte sie hin und wieder einfach mal einen Liebhaber in den Ofen stopfen.«
    »Wovon redet ihr?«, kam es von der Tür. Hinter Jesper brachte der Höllenlärm, der längst wieder aus seinem Zimmer dröhnte, die Wände im Flur zum Vibrieren.
 
    Drei Tage lang hatte Carl nun im Keller gesessen, abwechselnd die Wände und Google angestarrt, den Abstand zum provisorischen Klo vermessen und sich ausgeschlafener denn je gefühlt. Jetzt durchmaß er die vierhundertzweiundfünfzig Schritte bis zur Mordkommission im zweiten Stock, wo seine alten Kollegen logierten. Er wollte zumindest mal eine Tür einfordern, die er zuknallen konnte, wenn ihm danach war. Und er wollte seine Kollegen behutsam daran erinnern, dass es vielleicht ganz sinnvoll wäre, ihm die Akten zukommen zu lassen, die er für seine Arbeit benötigte. Nicht, dass er es sonderlich eilig hatte. Aber sollte er riskieren, seine Arbeit zu verlieren, ehe er sie richtig hatte antreten können?
    Er hatte erwartet, dass die ehemaligen Kollegen ihn neugierig anstarren würden, sobald er seine alte Abteilung betrat. Er hatte mitleidige und durchaus auch höhnische Blicke erwartet. Nicht aber, dass sie bei seinem Anblick ausnahmslos und wie auf Kommando hinter ihren Bürotüren verschwanden.
    Im ersten Büro stand ein Mann, den er noch nie gesehen hatte, und packte Umzugskartons aus.
    »Was ist denn hier los?«, fragte Carl.
    Der andere streckte ihm die Hand entgegen. »Peter Vestervig. Ich komme vom City Revier. Bin in Viggos Gruppe.«
    »In Viggos Gruppe? Viggo Brink?«, fragte er. Teamchef Viggo? Dann musste er gestern ernannt worden sein.
    »Ja. Und du bist ... ?« Der Mann ergriff Carls Hand.
    Carl drückte sie kurz und sah sich im Raum um, ohne zu antworten. Da waren noch zwei weitere Gesichter, die er nicht kannte. »Auch in Viggos Gruppe?«
    »Nicht der hinten am Fenster.«
    »Neue Möbel,

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