Erbarmen
beschäftigen.« Der Sprecher war ein eleganter Mann in den Vierzigern, der auf diesem Gebiet längst Millionen verdient hatte. Er war der Gründer des bekannten Medizinalkonzerns BasicGen, der in erster Linie Grundlagenforschung für andere und größere Medizinalunternehmen betrieb. Sobald er eine neue Idee hatte, stand er in den Büros der gesundheitspolitischen Sprecher der Parteien. Den Rest der Delegation kannte sie nicht. Aber ihr fiel auf, dass hinter dem Wortführer ein jüngerer Mann stand und sie die ganze Zeit anstarrte. Er ergänzte die Ausführungen des Sprechers gelegentlich, wirkte aber sonst eher wie ein Beobachter.
»Ja, das ist Daniel Hale, unser bester Partner bei der Zusammenarbeit an der Laborfront. Sein Name klingt englisch, ist aber durch und durch dänisch«, stellte ihn der Sprecher vor, als sie jedes einzelne Mitglied der Gruppe persönlich begrüßte.
Sie gab ihm die Hand und spürte sofort, wie heiß sie war. »Daniel Hale, richtig?«, sagte sie.
Er lächelte. Für einen Moment flackerte ihr Blick. Wie peinlich.
Sie sah zu ihrer Assistentin hinüber. Marion Koch hätte jetzt ihr Lächeln hinter Papieren versteckt, sie hatte immer irgendwelche Papiere in der Hand. Ihre neue Assistentin lächelte nicht. »Sie arbeiten in einem Labor?«, fragte sie.
An dieser Stelle unterbrach sie der Wortführer der Gruppe.
Er musste seine wenigen kostbaren Sekunden verteidigen. Die nächste Delegation wartete bereits vor Merete Lynggaards Tür. Niemand wusste, wann sich die nächste Gelegenheit bot. Es ging um Geld und teuer investierte Zeit.
»Daniel ist der Besitzer des besten kleinen Labors von Skandinavien. Das heißt, klein ist es eigentlich nicht mehr, seit du die Neubauten bekommen hast«, sagte er an den Mann gewandt, der lächelnd den Kopf schüttelte. Es war ein gewinnendes Lächeln. »Wir bitten um die Erlaubnis, Ihnen als der gesundheitspolitischen Sprecherin diesen Bericht hier dazulassen«, fuhr der Sprecher fort. »Vielleicht finden Sie Zeit, ihn zu lesen. Für unsere Nachkommen ist es ungeheuer wichtig, das Problem jetzt und heute sehr ernst zu nehmen.«
Sie hatte nicht damit gerechnet, Daniel Hale unten in der Kantine wiederzusehen. Offenkundig wartete er dort auf sie. An den übrigen Wochentagen aß sie oben in ihrem Büro, aber freitags traf sie sich seit einem Jahr mit den gesundheitspolitischen Sprecherinnen der Sozialdemokraten und des Radikalen Centrums. Sie alle waren brave Frauen, die die Mitglieder der Dänemarkpartei dazu bringen konnten, rot zu sehen. Schon allein die Tatsache, dass sie ihr Kaffeekränzchen in aller Öffentlichkeit abhielten, war vielen ein Dorn im Auge.
Hale saß allein und halb verdeckt von einer Säule ganz vorn auf dem Kasper-Salto-Designerstuhl und hatte eine Tasse Kaffee vor sich. Sie blickten sich in genau dem Moment an, als sie durch die Glastür trat, und solange Merete in der Kantine war, dachte sie an nichts anderes.
Als sich die Frauen nach ihrem Gespräch erhoben, kam er zu ihr.
Sie sah, wie Köpfe zusammengesteckt wurden, und fühlte sich von seinem Blick gefangen.
Kap 8 - 2007
Carl war zufrieden. Die Handwerker waren den ganzen Vormittag schwer beschäftigt. Er hatte auf dem Flur gestanden, auf einem der Rolltische Kaffee gekocht und etliche Zigaretten geraucht. Jetzt lag auf dem Fußboden des Sonderdezernats Q ein Teppich, die Farbeimer und alles Übrige war in riesigen Plastiksäcken verschwunden, und auch die Tür war eingehängt. Ein Flachbildschirm hing an der Wand, ein Whiteboard war aufgestellt, und es gab ein Schwarzes Brett. Im Bücherregal befand sich seine ganze juristische Fachliteratur, die er vor dem Zugriff seiner Kollegen gerettet hatte. In der Hosentasche hatte er den Schlüssel zu einem dunkelblauen Peugeot 607. Den hatte der Nachrichtendienst der Polizei gerade ausgetauscht. Die wollten ihre Leibwächter offenbar nicht mit Kratzern im Lack hinter den Kronen-Fahrzeugen der Königin herfahren lassen. Der Wagen hatte nur fünfundvierzigtausend Kilometer auf dem Tacho und gehörte jetzt dem Sonderdezernat Q. Wie der wohl den Parkplatz im Magnolienvej schmücken würde! Nur zwanzig Meter entfernt von seinem Schlafzimmerfenster.
In wenigen Tagen würde er seine Hilfskraft bekommen, hatten sie ihm versprochen, und Carl hatte seine früheren Kollegen dazu gebracht, ein kleines Büro auf der anderen Seite des Flurs zu räumen. In dem Raum lagerten die ausgedienten Visiere und Schilde der Bereitschaftspolizei nach
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