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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Menschen hast du bloß ins Unglück gestürzt, ohne es zu wollen!«
    »Du Schwein, warum hast du mich denn nicht einfach umgebracht?«, rief sie laut. »Die Möglichkeit hattest du doch. Du sagst ja selbst, dass du Uffe und mich überwacht hast. Warum hast du mich nicht einfach niedergestochen, wenn ich in meinem Garten war? Da bist du doch garantiert auch gewesen, oder?«
    Es entstand eine Pause. Dann sagte er ganz langsam, wie um seinen Zynismus auszukosten: »Erstens war mir das zu einfach. Dein Leiden sollte für uns sichtbar sein, und zwar genauso lange, wie unsere eigenen Leiden gedauert hatten. Außerdem, liebe Merete, wollte ich nahe bei dir sein. Ich wollte sehen, wie verletzlich du bist. Ich wollte, dass du bis ins Mark erschüttert bist. Du solltest diesen Daniel Hale lieben lernen. Und dann solltest du ihn fürchten lernen. Du solltest zu deinem letzten Ausflug mit Uffe in der Gewissheit aufbrechen, dass zu Hause etwas Ungeklärtes auf dich wartete. Allein dass du das wusstest, verschaffte mir eine ungemein große Genugtuung.«
    »Du bist ja krank im Kopf!«
    »Krank? Ich bin krank? Ich kann dir sagen, das ist noch gar nichts gegen jenen Tag, als ich erfuhr, dass meine Mutter beim Lynggaard-Fonds um Unterstützung gebeten hatte, damit sie nach Hause konnte, als sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ihr Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, die Stiftung könne ausschließlich direkte Nachkommen von Latte und Alexander Lynggaard berücksichtigen. Sie bat euren scheißreichen Fonds um erbärmliche hunderttausend Kronen, und die lehnten ab, obwohl ihnen bekannt war, wer sie war und was ihr zugestoßen war. Deshalb musste sie mehrere Jahre länger in verschiedenen Institutionen zubringen. Verstehst du jetzt, warum sie dich dermaßen hasst, du verwöhnte Ziege?«
    Der Psychopath dort draußen weinte. »Verfluchte hunderttausend Kronen! Was bedeutete das schon für dich und deinen Bruder? Nichts!«
    Sie könnte sagen, dass sie nichts davon gewusst hatte. Aber die Schuld war abbezahlt. Längst schon.
    Noch am selben Abend stellten Lasse und sein Bruder die Kameras auf und schalteten die Scheinwerfer ein. Zwei schneidend grelle Dinger, die die Nacht zum Tag machten und die ihr Gefängnis in seiner ganzen unermesslichen Hässlichkeit ausstellten und jedes unappetitliche Detail zutage treten ließen. Erst jetzt erfasste sie den Raum in seiner ganzen Widerwärtigkeit. Mit ihrer eigenen Erniedrigung konfrontiert zu sein, war für sie so furchtbar, dass sie die Augen fest verschloss. Die Hinrichtungsstätte war nun zur Schau gestellt, aber der Verurteilte entschied sich für die Dunkelheit.
    Später zogen sie über beide Spiegelglasscheiben Kabel zu zwei Zündern. Im sogenannten Notfall könnten die Scheiben damit gesprengt werden. Und schließlich brachten sie direkt davor Druckflaschen in Position mit Sauerstoff und Wasserstoff und »brennbaren Flüssigkeiten«, wie sie sagten.
    Lasse teilte ihr mit, dass alles bereit sei. Wenn sie von innen heraus gesprengt war, würde sie in die Kompostmühle verfrachtet und anschließend wollten sie den ganzen Scheißdreck in die Luft sprengen. Die Detonation würde man noch kilometerweit hören. Und dieses Mal würde die Versicherung bezahlen! Solche ungewollten Unglücksfälle mussten nur äußerst sorgfältig vorbereitet werden, dann wären alle Spuren auf immer vernichtet.
    Das wird nicht geschehen, wenn es sich irgendwie verhindern lässt, dachte sie bei sich, darauf könnt ihr euch verlassen.
    Als ein paar Tage vergangen waren, setzte sie sich mit dem Rücken zu den Scheiben und begann mit der Spitze der Zange im Beton zu kratzen. In zwei Tagen würde sie damit fertig sein, die Zange allerdings auch. Dann musste sie eben ihre Zahnstocher benutzen, um ihre Adern zu punktieren. Aber das war nun auch egal. Es gab die Möglichkeit, das reichte.
    Sie brauchte länger als zwei Tage, eher schon eine Woche, aber dann waren die Fugen tief genug, um fast alles zu überstehen. Sie hatte sie mit Staub und Dreck aus den Ecken und Winkeln des Raums bedeckt. Buchstabe für Buchstabe. Wenn die Brandexperten der Versicherung irgendwann in der Zukunft hierherkommen würden, um Nachforschungen anzustellen, dann, da war sie sicher, würden wenigstens einige der Worte entdeckt werden. Und dann würden sie auch die ganze Botschaft ermitteln. Sie lautete:
    Lasse, dem dieses Gebäude gehört, ermordete seinen Stiefvater und Daniel Hale und einen seiner Freunde, und dann ermordete er auch

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