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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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einige Tage die Nahrung entziehen, nicht aber, dass man ihr das Recht auf einen selbst bestimmten Tod nehmen würde.
    »Lasse, pass auf die da bloß auf«, zischte die Alte draußen im Vorraum. »Sie will einen Keil zwischen uns treiben. Und sie will dich betrügen, das kannst du mir glauben. Pass gut auf sie auf. Sie hat eine Zange da drinnen, und sie bringt es fertig, die Zange gegen sich selbst zu wenden. Willst du, dass sie es ist, die zuletzt lacht? Willst du das, Lasse?«
    Die Pause währte nur wenige Sekunden. Was hatte sie bloß getan? Von diesem Momant an hing ihr Leben am seidenen Faden.
    »Merete, hörst du, was meine Mutter sagt?« Seine Stimme tönte eiskalt aus den Lautsprechern.
    Was nutzte es, darauf zu antworten?
    »Ab jetzt bleibst du von den Bullaugen weg. Ich will dich die ganze Zeit sehen können, hast du verstanden? Zieh den Kloeimer an die gegenüberliegende Wand. Sofort! Falls du in irgendeiner Form versuchst, dich zu Tode zu hungern oder dich selbst zu verletzen, dann kannst du sicher sein, dass ich den Druck schneller aus dem Raum nehme, als du reagieren kannst. Der Druck lässt sich nämlich per Fernbedienung regulieren. Falls du dir irgendwo in die Haut stichst, wird das Blut wie ein Wasserfall aus dir herausschießen. Und ehe du das Bewusstsein verlierst, das verspreche ich dir, wirst du spüren, wie alles in dir gesprengt wird. Ich stelle Kameras auf, und damit überwachen wir dich von nun an vierundzwanzig Stunden am Tag. Wir richten zwei Scheinwerfer auf die Scheiben. Du kannst dich also jetzt für das Fallbeil entscheiden, oder du kannst es später nehmen. Aber wer weiß, Merete? Vielleicht fallen wir ja morgen alle tot um? Vielleicht werden wir von dem wunderbaren Lachs vergiftet, den wir heute Abend essen werden? Man kann nie wissen. Also halte durch. Vielleicht kommt ja eines Tages ein Prinz auf seinem weißen Pferd und nimmt dich mit. Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es nicht so? Also halte aus, Merete. Aber halt dich an die Regeln.«
    Sie sah zu einer der beiden Scheiben hoch. Dahinter konnte sie ganz schwach Lasses Konturen erahnen. Ein grauer Todesengel. Schwankend dort draußen im Leben, mit einem verdunkelten und kranken Gemüt, das ihn hoffentlich auf immer peinigen würde.
    »Wie hast du deinen Stiefvater umgebracht? Genauso bestialisch?«, rief sie und erwartete, dass er lachen würde, aber nicht, dass die anderen beiden in sein Gelächter einstimmten. Sie waren also alle drei dort draußen.
    »lch habe zehn Jahre gewartet, Merete. Und dann kam ich zurück, mit zehn Kilo mehr Muskeln und einem gewaltigen Mangel an Respekt. Ich glaube fast, das allein schon hätte ihn umbringen können.«
    »Aber so viel Respekt konntest du trotzdem nicht bekommen«, gab sie zurück und lachte ihn aus.
    Es lohnte, alles aufzutischen, um seinen Siegesrausch mit Füßen zu treten.
    »Ich habe ihn totgeprügelt. Glaubst du nicht, dass einem das Respekt verschafft? Nicht sonderlich raffiniert, aber was soll's. Ich habe ihn ganz langsam totgeschlagen. Alles andere war mir nicht gut genug.«
    In ihr drehte sich alles. Der Mann war ja vollkommen wahnsinnig. »Du bist wie er, du lächerliche, kranke Bestie«, flüsterte sie. »Schade, dass man dich nicht schon damals erwischt hat.«
    »Erwischt? Sagtest du erwischt?« Wieder lachte er. »Wie denn? Es war Herbst, Erntezeit, und dieses alte Scheißding von einem Mähdrescher wartete draußen auf dem Feld. Es war nicht schwer, seine Leiche vor das Schneidwerk zu stoßen, als die Maschine erst richtig lief. Er hatte so viele verrückte Ideen, der Idiot, sodass sich keiner wunderte, dass er nachts erntete und dabei tödlich verunglückte. Vermisst hat ihn keiner, das kann ich dir sagen.«
    »Ja, Lasse, du bist doch wirklich und wahrhaftig ein großer Mann. Wen hast du denn sonst noch umgebracht? Hast du noch mehr auf dem Gewissen?«
    Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es hier aufhörte. Trotzdem war sie zutiefst schockiert, als sie dann von ihm hörte, wie er Daniel Hales Beruf ausgenutzt hatte, um nahe an sie heranzukommen, wie er die Stelle dieses Mannes eingenommen und ihn schließlich umgebracht hatte. Daniel Hale hatte Lasse nichts zuleide getan, aber er musste beseitigt werden, damit nicht durch irgendeinen dummen Zufall aufgedeckt würde, dass Lasse dahintersteckte. Dasselbe galt für seinen Helfer, Dennis Knudsen, auch der musste sterben. Keine Zeugen, da war er eiskalt.
    »Mein Gott, Merete«, flüsterte sie sich selbst zu. »Wie viele

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