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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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wirklich nichts vormachen.
    »In dem Zimmer der alten Frau standen vier Fernsehapparate.«
    »Aha, ich hab nur einen gesehen.«
    »Da standen drei nebeneinander, nicht sehr groß, am Fußende von ihrem Bett. Sie waren abgedeckt, aber ich habe das Licht von den Bildschirmen gesehen.«
    Er musste Augen wie ein Adler haben, gepaart mit einer Eule. »Drei eingeschaltete Fernseher unter einer Decke. Konntest du das auf die Entfernung sehen, Assad? Es war ja dunkel wie im Grab.«
    »Die standen dort direkt vor dem Bett an der Wand. Fast wie eine Art ...«, er suchte nach dem Wort, »wie eine Art ...«
    »Monitorwand?«
    Er nickte. »Carl, es waren drei oder vier Bildschirme. Durch die Decke konnte man gut das grünliche Licht sehen. Warum standen die da? Warum waren die eingeschaltet? Und warum waren sie so zugedeckt? Als ob wir sie nicht sehen sollten.«
    Carl sah auf die Straße, über die sich die Lastwagen in die Stadt quälten. Ja, warum?
    »Und noch eine Sache, Carl.«
    Aber Carl hörte nicht mehr richtig zu. Er trommelte mit den Daumen aufs Steuer. Wenn sie zum Präsidium fuhren und die ganze Antragsprozedur eines Durchsuchungsbeschlusses durchliefen, dann wären mindestens zwei Stunden um, bis sie wieder dort unten sein konnten.
    Da klingelte erneut sein Handy. Wenn das Vigga war, würde er sie einfach wegdrücken. Wie konnte sie glauben, dass er Tag und Nacht zur Verfügung stand?
    Aber es war Lis. »Marcus Jacobsen möchte, dass du in sein Büro kommst. Wo bist du?«
    »Er muss warten, Lis, ich bin auf dem Weg zu einer Hausdurchsuchung. Geht es um den Zeitungsartikel?«
    »Ich weiß es nicht genau, aber es ist gut möglich. Du kennst ihn. Er kann sehr still werden, wenn jemand schlecht über uns schreibt.«
    »Dann erzähl ihm, dass Uffe Lynggaard gefunden worden ist, in guter Verfassung. Und erzähl ihm, wir arbeiten dran.«
    »Woran?«
    »Dass die verfluchten Zeitungen etwas Positives über mich und das Sonderdezernat schreiben.«
    Dann drehte er den Wagen in einer Kehrtwende und setzte das Blaulicht aufs Dach.
    »Was wolltest du mir gerade erzählen, Assad?«
    »Das mit den Zigaretten.«
    »Was meinst du?«
    »Wie lange rauchst du schon dieselbe Marke, Carl?«
    Er krauste die Nase. Wie lange gab es Lucky Strike schon?
    »Man wechselt die Marke doch nicht einfach so, oder? Und sie hatte zehn Päckchen rote Prince auf dem Tisch liegen, Carl. Ganz neue Päckchen. Und sie hatte völlig gelbe Finger. Aber ihr Sohn nicht.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Sie rauchte Prince mit Filter, und der Sohn rauchte nicht, da bin ich ziemlich sicher.«
    »Ja, und?«
    »Warum lagen dann lauter Kippen ohne Filter im Aschenbecher?«
    An dieser Stelle schaltete Carl das Blaulicht ein und trat das Gaspedal durch.
     

Kap 37 - Am selben Tag
     
    Die Arbeit dauerte lange, denn der Fußboden war glatt. Außerdem durften diejenigen, die irgendwo dort draußen saßen und auf die Bildschirme starrten, nicht auf das konstante Rucken ihres Oberkörpers aufmerksam und dadurch misstrauisch werden.
    Sie hatte fast die ganze Nacht mitten im Raum gesessen, den Kameras den Rücken zugewandt, und an dem langen Rest des Nylonstäbchens geschliffen, das sie am Vortag durch permanentes Hin- und Herknicken in zwei Stücke gebrochen hatte. Wie ironisch, dass diese Nylonversteifungen aus der Kapuze ihrer Jacke dazu bestimmt waren, ihr als Ausweg aus dem Leben zu dienen.
    Sie legte die beiden Stäbchen auf ihren Schoß und ließ die Finger darübergleiten. Eines war bald nadelspitz, und das andere hatte sie wie eine Nagelfeile mit einer Messerschneide zurechtgeschliffen. Die wollte sie benutzen, wenn es so weit war. Sie fürchtete, dass die Löcher, die sie mit der Spitze in ihre Pulsader stoßen konnte, nicht groß genug sein würden. Und falls es nicht schnell genug ging, würde das Blut auf dem Fußboden sie verraten. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass die da draußen in dem Moment, in dem sie es entdeckten, den Druck aus dem Raum nehmen würden. Ihr Selbstmord musste also effektiv und schnell vonstattengehen.
    Sie wollte nicht auf die andere Weise sterben.
    Als sie die Stimmen aus den Lautsprechern hörte, irgendwo dort draußen auf dem Gang, steckte sie die Stäbchen in ihre Jackentasche und ließ den Oberkörper leicht nach vorne sinken. Wenn sie so dasaß, hatte Lasse sie oft angebrüllt, worauf sie jedoch nicht reagiert hatte. Daran war also nichts Ungewöhnliches.
    Sie verweilte im Schneidersitz und starrte auf den langen Schatten

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