Erbarmen
fassen bekommen hatte. Scheiß doch auf Regeln und Waffengesetze, dachte er. Er hoffte nur, dass Assad es anwenden konnte.
Dann war ein Ton in den Lautsprechern über ihnen zu hören.
Als wenn die Frau dort in dem Raum etwas sagen wollte.
»Uffe Lynggaard hat dich auf einem Foto wiedererkannt«, fuhr Carl fort. »Ein Foto, da stehst du neben Dennis Knudsen, ihr wart noch Jungen. Erinnerst du dich an das Foto, Atomos?« Der Name war wie ein Schlag ins Gesicht. Es war nicht zu übersehen, wie in Lasse Jensens Innerem die Erinnerung an das jahrelange Leiden an die Oberfläche drängte.
Er zog die Mundwinkel nach unten und nickte. »Sieh an, das weißt du auch. Ich muss wohl davon ausgehen, dass ihr alles wisst. Dann ist euch ja wohl auch klar, dass ihr Merete jetzt auf dem Weg folgen müsst.«
»Das schaffst du nicht, Lasse, Verstärkung ist längst unterwegs.« Carl lehnte sich leicht nach vorn, damit Assad das Messer ziehen und damit zustechen konnte. Die Frage war nur, ob der Psychopath da vorher den Abzug betätigen würde. Wenn er beide Läufe gleichzeitig und aus solcher Nähe abfeuerte, dann wären sie beide verloren.
Wieder lächelte Lasse. Er hatte schon wieder Oberwasser. Das Markenzeichen des Psychopathen: Nichts drang zu ihm vor. »Ich schaffe es, da kannst du sicher sein.«
Der Ruck in Carls Jackentasche fiel zusammen mit dem nachfolgenden Klicken des Springmessers und dem Geräusch von Fleisch, wenn ein Messer hineingestochen wird. Sehnen, die durchtrennt werden, Muskeln, die aufgeschlitzt werden. Carl sah das Blut auf Lasses Bein und gleichzeitig, wie Assad mit seinem blutenden Arm den Gewehrkolben von unten nach oben wegschlug. Der Knall des Schusses in Carls Ohren - Lasse hatte reflexartig abgedrückt - schloss alle Geräusche aus. Er sah Lasse lautlos hintenüberfallen und Assad sich mit erhobenem Messer über ihn werfen.
»Nein!«, schrie Carl und hörte sich kaum selbst. Er wollte aufstehen, bemerkte dabei aber erst die Auswirkung des Schusses, den er abbekommen hatte. Er sah unter sich das viele Blut. Dann drückte er auf den Schenkel und stand auf.
Assad saß blutend auf Lasses Brustkorb und hielt ihm das Messer an die Kehle. Carl hörte es nicht, aber er sah, wie Assad den Mann unter sich immer wieder anschrie, worauf Lasse ihm jedes Mal ins Gesicht spuckte.
Dann kam auf einem Ohr nach und nach das Hörvermögen zurück. Jetzt hatte das Relais neben ihnen wieder angefangen, Luft aus der Druckkammer zu lassen. Dieses Mal lag der Pfeifton noch eine Tonlage höher. Oder spielte ihm sein Gehör einen Streich?
»Wie halten wir den Scheiß an? Wie verschließt man die Ventile? Sag es!«, schrie Assad zum Gott weiß wie vielten Mal, und Lasse spuckte ihm ins Gesicht. Erst jetzt fiel Carl auf, wie der Druck des Messers auf Lasses Kehle bei jedem Spucken erhöht wurde.
»Ich habe schon besseren Menschen als dir die Kehle durchgeschnitten«, schrie Assad und ritzte seine Haut an, sodass das Blut an seinem Hals herunterlief.
Carl wusste nicht, was er denken sollte.
»Und wenn ich es wüsste, würde ich es nicht sagen«, fauchte Lasse unter Assad. Carl sah zu Lasses Bein, das Assad mit dem Messer verletzt hatte. Die Blutung war offenbar nicht sehr stark. Zumindest war die große Arterie im Schenkel nicht durchtrennt.
Er beobachtete auf dem Druckmessgerät, wie der Druck langsam aber stetig abnahm. Wo zum Teufel blieb denn die Verstärkung! Er hatte die Marineleute doch gebeten, seine Kollegen zu alarmieren, hatten sie das etwa nicht getan? Carl stützte sich an die Mauer und holte sein Handy aus der Jackentasche. Er gab die Nummer des Wachdienstes ein. In wenigen Minuten würden sie da sein. Genug zu tun bekämen seine Kollegen und der Rettungsdienst auf jeden Fall.
Er spürte den Schlag gegen seinen Arm nicht, merkte nur, wie sein Handy auf den Fußboden knallte und der Arm nach unten sackte. Mit einem Ruck drehte er sich um und sah gerade noch, wie dieses dünne Wesen hinter ihm die flache Eisenstange, mit der sie die Schlösser aufgebrochen hatten, gegen Assads Schläfe schlug.
Der kippte wortlos auf die Seite.
Dann trat Lasses Bruder einen Schritt vor und stampfte mit dem Fuß auf Carls Handy, bis es in seine Einzelteile zerbrochen war.
»Ach du lieber Gott, mein Junge, ist es schlimm?« Die Frau kam mit ihrem Rollstuhl von hinten. Das Leben hatte tiefe Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Den bewusstlosen Mann auf dem Boden würdigte sie keines Blicks. Sie hatte nur Augen für das
Weitere Kostenlose Bücher