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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Blut, das aus dem Hosenbein ihres Sohns sickerte.
    Lasse erhob sich mühsam, dabei sah er Carl wütend an. »Es ist nichts, Mutter«, sagte er und nahm ein Taschentuch aus der Hosentasche, zog den Gürtel aus dem Hosenbund und band beides mit Hilfe seines Bruders straff um den Schenkel.
    Die Mutter rollte an beiden vorbei und starrte auf das Druckmessgerät. »Und wie geht es dir, du elendes Weibsstück?«, rief sie zur Scheibe hin.
    Carl sah zu Assad hinüber, der dort auf dem Boden lag und schwach atmete. Er musste überleben. Carl ließ den Blick über den Fußboden wandern, er hoffte, das Springmesser zu entdecken. Vielleicht lag es unter Assad, vielleicht würde er es sehen, wenn sich der Magere etwas bewegte.
    Es war, als hätte der etwas gemerkt. Er drehte sich zu Carl um. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas erschreckend Kindliches. Als wollte Carl ihm etwas wegnehmen oder ihn vielleicht sogar schlagen. Der Blick, den er Carl zuwarf, war das Resultat einer in Einsamkeit verbrachten Kindheit. Andere Kinder, die nicht verstanden, wie verletzlich ein einfältiger Mensch sein konnte. Er hielt noch immer das Brecheisen in der Hand und zielte auf Carls Hals.
    »Soll ich ihn totschlagen, Lasse? Soll ich? Das kann ich.«
    »Du sollst nichts«, fauchte die Frau und rollte näher.
    »Setz dich, Bulle«, befahl Lasse und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Geh raus und hol die Batterie, Hans. Wir sprengen das Haus in die Luft. Mehr können wir jetzt nicht machen. Beeil dich. In zehn Minuten sind wir weg.«
    Er lud seine Flinte. Als Carl langsam an der Wand herunterrutschte, behielt er ihn im Auge, bis er mit der Schleusentür im Rücken auf dem Boden neben Assad saß.
    Dann riss Lasse die Klebestreifen von den Glasscheiben und zog die Sprengladungen zu sich. Mit einer raschen Handbewegung wickelte er die tödliche Mixtur aus Leitungen und Zündern wie einen Schal um Carls Hals.
    »Du brauchst keine Angst zu haben, du wirst nichts merken. Aber für die da drinnen wird es anders. So muss es sein«, sagte Lasse kalt und zog die Gasflaschen an die Wand zur Druckkammer hinter Carl.
    Da kam sein Bruder mit der Batterie und einer Rolle Kabel zurück.
    »Nein, Hans, wir machen das anders. Wir nehmen die Batterie wieder mit nach draußen. Du musst sie nur noch so verbinden«, sagte Lasse und zeigte ihm, wie die Sprengladungen um Carls Hals mit den Verlängerungen und schließlich mit der Batterie verbunden werden sollten. »Schneid reichlich Kabel ab, Hans. Das muss bis auf den Hof reichen.«
    Lasse lachte und sah Carl direkt an. »Ja, wir schließen es draußen an, und in dem Moment, wo die Druckflaschen in die Luft gehen, sprengt es dem Scheißkerl den Kopf weg.«
    »Aber was ist vorher. Was ist mit dem da?«, fragte sein Bruder und deutete auf Assad. »Der kann die Kabel doch einfach abreißen.«
    »Der?« Lasse lächelte und zog die Batterie ein Stück von Carl weg. »Du hast recht. Gleich darfst du ihn bewusstlos schlagen.«
    Mit völlig veränderter Stimme wandte er sich an Carl. »Wie zum Teufel hast du mich gefunden? Dennis Knudsen und Uffe, hast du gesagt. Aber ich verstehe es nicht. Wie hast du die mit mir in Verbindung gebracht?«
    »Du Idiot, du hast so viele Fehler gemacht!«
    Lasse zog sich etwas in den Raum zurück. Was Carl hier sah, ließ sich nur mit Wahnsinn beschreiben. Lasse würde mit Sicherheit jeden Moment auf ihn schießen. In aller Ruhe zielen und abdrücken. Tschüs Carl. Er sollte auf keinen Fall verhindern, dass sie alles in die Luft sprengten. Als ob er das nicht wüsste.
    Carl blickte seelenruhig zu Lasses Bruder, der mit den Kabeln nicht zurechtkam. Sie verhedderten sich, sobald er ein Stück abrollte.
    In dem Moment spürte er, wie Assads verletzter Arm an seiner Wade zitterte. Also war er ja vielleicht doch nicht so schwer verletzt. In dieser Situation allerdings ein schwacher Trost. Bald waren sie ohnehin tot.
    Carl schloss die Augen und versuchte, sich Augenblicke in seinem Leben ins Bewusstsein zu rufen, die bedeutungsvoll gewesen waren. Nach Sekunden mit nichts als Leere im Kopf öffnete er sie wieder. Nicht einmal den Trost hatte er.
    Hatte sein Leben wirklich so wenig zu bieten gehabt?
    »Mutter, du musst jetzt hier raus«, hörte er Lasse sagen. »Fahr raus auf den Hof, weit weg von den Außenmauern. Wir kommen in einer Minute nach. Dann verschwinden wir.«
    Sie nickte. Richtete zum letzten Mal den Blick auf die Bullaugen und spuckte an die Scheibe.
    Als sie an ihren Söhnen vorbei

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