Erbarmen
die Mittellinie und fuhr gegen das andere Auto, worauf Hales Wagen zurückgeschleudert wurde, und zwar direkt gegen den Baum und das Haus. Das Ganze geschah in Sekundenbruchteilen.«
»Was war mit dem Mann, in den er hineinfuhr?«
»Tja, der landete dort draußen«, sagte er und deutete zu einem flachen Stück Erde, das die EU vor Jahren als Brachland ausgewiesen hatte.
Wieder pfiff Assad leise. »Und ihm ist nichts weiter passiert?«
»Nein. Der fuhr irgend so einen überdimensionierten Jeep. Du bist hier auf dem Land, Assad.«
Sein Partner wirkte völlig in Gedanken versunken. »In Syrien gibt es auch viele Autos mit Allradantrieb«, sagte er schließlich.
Carl nickte, hörte aber nicht richtig hin. »Das ist sonderbar, findest du nicht, Assad?«
»Was? Dass er in dieses Haus hineinfuhr?«
»Dass er ausgerechnet am Tag nach Merete Lynggaards Verschwinden tödlich verunglückte. Der Typ, den Merete gerade kennen gelernt hatte und der vielleicht in sie verliebt war. Sehr sonderbar.«
»Du glaubst, das war vielleicht Selbstmord? Es hat ihm so leidgetan, dass sie im Meer verschwunden ist?« Assads Gesichtsausdruck veränderte sich ein bisschen, als er Carl ansah. »Er hat sich vielleicht selbst umgebracht, weil er Merete Lynggaard umgebracht hat. Das wäre ja nicht das erste Mal, dass so was passiert, Carl.«
»Selbstmord? Nein, dann wäre er einfach in das Haus gerast. Nein, Selbstmord war das mit Sicherheit nicht. Außerdem kann er sie nicht getötet haben. Als Merete Lynggaard verschwand, saß er in einem Flugzeug.«
»Okay.« Assad besah sich noch einmal die Schrammen am Haus. »Dann kann er auch nicht derjenige sein, der mit dem Brief kam, in dem stand: >Gute Reise nach Berlin<, oder?«
Carl nickte und sah in die Sonne, die im Westen zur Landung ansetzte. »Nein, das kann er wohl nicht.«
»Und was machen wir dann hier, Carl?«
»Was wir hier machen?« Er starrte über die Felder, wo sich bereits das erste Unkraut des Frühlings zeigte. »Das werde ich dir sagen, Assad. Wir ermitteln. Das machen wir.«
Kap 25 - 2007
»Vielen Dank, dass Sie dieses Treffen für mich arrangiert haben, und ich danke Ihnen, dass Sie zugestimmt haben, mich schon so bald wiederzusehen.« Er streckte Birger Larsen die Hand entgegen. »Es wird nicht lange dauern.« Auf der Suche nach bekannten Gesichtern sah er sich um und betrachtete die Menschen, die sich im Büro des stellvertretenden Vorsitzenden der Demokratischen Partei eingefunden hatten.
»Ja. Carl Mørck. Hier sind also alle versammelt, die mit Merete Lynggaard bis zu ihrem Verschwinden zusammengearbeitet haben. Einige der Gesichter werden Ihnen sicher bekannt vorkommen.«
Carl nickte der Gruppe zu. Ja, doch. Einige kannte er. Hier war ein Teil jener Politiker versammelt, die gute Chancen hatten, bei der nächsten Wahl die jetzige Regierung zu kippen. Hoffen durfte man immerhin. Die politische Sprecherin im kniefreien Rock, zwei der prominenteren Parlamentsabgeordneten und einige Mitarbeiter aus dem Sekretariat, einschließlich Marion Koch. Sie warf ihm einen aufreizenden Blick zu - was ihn daran erinnerte, dass er in drei Stunden bei Mona Ibsen zum Kreuzverhör erscheinen musste.
»Wie Ihnen Birger Larsen sicher bereits erklärt hat, ermitteln wir ein weiteres Mal im Fall Merete Lynggaard, bevor wir die Akte endgültig schließen. Wir wollen uns jetzt noch einmal auf die Ereignisse der letzten Tage vor ihrem Verschwinden konzentrieren. Versuchen Sie sich daher so genau wie möglich daran zu erinnern: Was hat sie wann gemacht? Wen hat sie getroffen? Und vor allem: In welcher psychischen Verfassung war sie? Die Polizei kam damals bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt zu dem Ergebnis, es handele sich um einen Unglücksfall, Merete Lynggaard sei über Bord gefallen. Das kann durchaus so gewesen sein, und nach fünf Jahren ist natürlich auch von den sterblichen Überresten nichts mehr da.«
Alle nickten. Sie wirkten ernst und auch betroffen. Hier saßen Menschen, die Merete Lynggaard zu ihren Vertrauten hatte zählen können. Abgesehen vielleicht von der neuen Kronprinzessin.
Viele Details sprechen tatsächlich für einen Unglücksfall.
Den Fall nun noch mal aufzurollen, dazu bedarf es schon einer gewissen Eigenwilligkeit. Aber wir vom Sonderdezernat Q wurden damit beauftragt - und wir sind der Überzeugung, dass es sich lohnen könnte, einen nochmaligen, skeptischen Blick auf die damaligen Ermittlungen zu werfen.«
Sie lächelten ein bisschen - also
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