Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
Vom Netzwerk:
Zufrieden seufzend ließ sich der Bewohner aufs Sofa fallen, das in der Mitte ganz eingesunken war. Er genehmigte sich einen kräftigen Schluck aus der Whiskyflasche, die auf dem Tisch stand. Dabei versuchten seine Augen Carl zu fixieren.
    Nicht gerade ein Traumzeuge, sagte Carl seine Erfahrung. Er grüßte von Pelle Hyttested in der Hoffnung, das würde die Stimmung beleben.
    »Der schuldet mir Geld«, war die Antwort.
     
Carl überlegte kurz, ihm die Polizeimarke zu zeigen, ließ sie dann aber doch in der Tasche. »Ich komme vom Sonderdezernat Q der Polizei«, sagte er. »Wir versuchen, ein paar ungelöste Fälle zu knacken.«
    Hess stellte die Flasche ab. Vielleicht waren das in seinem Zustand doch noch zu viele Worte gewesen.
    »Ich komme wegen Merete Lynggaard«, versuchte Carl es. »Ich weiß, dass Sie sich auf Merete spezialisiert hatten.«
    Hess versuchte zu lächeln, was aber misslang, weil er rülpsen musste. »Das wissen nicht viele«, sagte er. »Und was ist mit ihr?«
    »Haben Sie vielleicht Fotos von ihr, die nicht veröffentlicht worden sind?«
    Der Mann sank mit einem halb erstickten Lachen vornüber. »Oh Mann, wie blöd kann man eigentlich fragen? Ich hab mindestens zehntausend.«
    »Zehntausend! Na, das ist doch schon was.«
    »Also, pass auf.« Er hielt fünf Finger hoch. »Jeden zweiten Tag zwei bis drei Rollen Film und das über zwei bis drei Jahre, wie viele Fotos sind das?«
    »Ein paar mehr als zehntausend, glaube ich.«
 
    Eine Stunde war vergangen, und Jonas Hess war inzwischen so weit klar im Kopf, dass er, ohne zu wanken, in der Lage war, Carl seine Dunkelkammer zu zeigen. Sie lag in einem kleinen Anbau hinter dem Haus.
    Die Ordnung hier drinnen erinnerte in keinster Weise an das Chaos im Haus. Carl war schon in vielen Dunkelkammern gewesen, aber noch in keiner, die so steril und penibel geordnet war wie diese hier. Der Unterschied zwischen dem Mann im Haus und dem Mann in der Dunkelkammer war kaum nachvollziehbar.
     
Jonas Hess zog eine Metallschublade auf und tauchte hinein. »Hier«, sagte er und reichte ihm eine Mappe, auf der
Merete
Lynggaard: 13/11-2001-1/3-2002
stand. »Das sind die Negative aus der letzten Phase.«
     Carl öffnete die Mappe von hinten. Jede Plastikhülle enthielt die Negative eines ganzen Films, aber in der letzten Hülle waren nur fünf. Das Datum war mit zierlichen Zahlen vermerkt. Da stand
113-2002
ML.
    »Sie fotografierten sie an dem Tag, ehe sie verschwand?«
    »Ja, aber nichts Besonderes. Nur ein paar Schnappschüsse im Hof von Christiansborg. Ich stand oft unten am Eingang und wartete.«
    »Auf sie?«
    »Nicht nur auf sie. Auf alle Politiker des Folketing. Wenn Sie wüssten, wie viele echt komische Konstellationen ich dort auf dieser Treppe schon gesehen habe. Man wartet einfach, und dann eines Tages kommt sie.«
    »Aber an dem Tag kam offenbar nichts Komisches, soweit ich das hier sehe.« Er nahm die Plastikhülle aus der Mappe und legte sie auf den Leuchttisch. Die Fotos waren also am Freitag aufgenommen worden, kurz bevor Merete sich auf den Heimweg machte. An dem Tag, ehe sie verschwand.
    Er ging mit dem Gesicht näher an die Negative heran.
    Doch. Sie hatte eindeutig die Aktentasche unter dem Arm. Carl schüttelte den Kopf. Unglaublich. Das allererste Bild und gleich ein Volltreffer. Hier war der Beweis, im Negativ, weiß auf schwarz. Merete hatte die Tasche mit nach Hause genommen. Ein abgewetztes altes Stück mit Kratzern.
    » Kann ich dieses Negativ bitte ausleihen?«
    Der Fotograf nahm einen Schluck aus seiner Whiskyflasche und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Ich verleihe keine Negative. Ich verkaufe sie nicht mal. Aber wir können einen Abzug machen, ich scanne ihn einfach. Die Qualität muss ja wohl nicht erstklassig sein.« Er holte tief Luft und räusperte sich, dabei lachte er.
    »Ja, danke, das wäre nett. Schicken Sie die Rechnung an mein Dezernat.« Er reichte Hess eine Karte.
    Der Fotograf besah die Negative. » Nein, wie ich schon sagte. An dem Tag war nichts Besonderes. Mit Merete Lynggaard war sowieso nie viel los. Eigentlich nur, wenn es im Sommer kühl war und sich unter ihrer Bluse die Brustwarzen abzeichneten. Für die Fotos bekam ich immer ganz gut Geld.«
    Wieder kam dieses Räuspern und gleichzeitig das Lachen.
    Dabei suchte er etwas in einem kleinen roten Kühlschrank, der wackelig auf Chemikalienkanistern stand. Er nahm sich eine Bierflasche, wollte wohl auch Carl etwas davon anbieten, aber ehe Carl auch nur

Weitere Kostenlose Bücher