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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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gehört der kaum, dachte Carl. Es wunderte ihn nicht. »Okay, Sie wissen also nichts.« Er wandte sich an die anderen. »Weiß von Ihnen jemand etwas? Was auch immer, alle Informationen sind willkommen. Ich nehme auch Gerüchte entgegen. Leute, die in ihrer Nähe beobachtet wurden, während eure Paparazzi ihr auf den Fersen waren. Gefühle. Affären. Gibt's da was bei euch zu holen?« Er blickte in die Runde. Ungefähr die Hälfte der Anwesenden war längst hirntot, das war an ihren Augen zu erkennen.
    Er sah sich im Raum um. Vielleicht hatte ja einer der jüngeren Journalisten, in dessen Kopf noch so etwas wie Leben vorhanden war, etwas beizusteuern. Er war hier doch schließlich ins Land des Klatsches eingetreten.
    »Sie sagen, Hardy Henningsen hat Sie geschickt?« Pelle Hyttested schaltete sich wieder ein und rückte näher an den Geldschein heran. »Waren nicht Sie der Grund, weshalb die Geschichte für Hardy damals so beschissen ausging? Ich erinnere mich noch ziemlich deutlich an einen Carl Mørck. Das sind doch Sie? Sie waren das doch, der unter einem der Kollegen Deckung suchte. Der unter dem Kollegen Hardy Henningsen lag und sich tot stellte. Waren das nicht Sie?«
    Carl fühlte, wie ihm ein ganzer Eisberg den Rücken hochkroch. Wie um alles in der Welt konnte der Mann diese Schlüsse ziehen? Alle internen Vernehmungen waren für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Noch nie hatte jemand gewagt, das anzudeuten, was dieser Scheißkerl gerade gesagt hatte.
    »Haben Sie noch keinen Aufmacher für nächste Woche? Dann sollte ich Sie vielleicht einfach mal an die Wand klatschen, damit Sie für die nächste Ausgabe was zu schreiben haben?« Er kam dem Journalisten so nahe, dass Hyttested lieber wieder den Tausender anschaute. »Hardy Henningsen war der beste Kollege, den man sich wünschen kann. Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich für ihn gestorben. Ist das klar?«
    Hyttested warf seinen Kollegen einen Blick zu; es war der Blick eines Siegers. Damit war die Headline für die nächste Ausgabe klar, und Carl war das Opfer. Jetzt fehlte nur noch ein Fotograf, der die Situation verewigte. Er musste zusehen, dass er hier rauskam.
    »Wenn ich Ihnen sage, welcher Fotograf sich auf Merete Lynggaard spezialisiert hatte, kostet das was.«
    »Und was soll mir das bringen?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht hilft es. Sind Sie vielleicht kein Polizist? Können Sie es sich leisten, einen Tipp zu ignorieren?«
    »Also, wen meinen Sie?«
    »Sie könnten ja mal versuchen, mit Jonas zu reden.«
    »Jonas wer?« Zwischen dem Tausender und Hyttesteds begehrlichen Fingern lagen nm noch wenige Zentimeter.
    »Jonas Hess.«
    »Jonas Hess, aha. Und wo finde ich ihn? Ist er gerade hier in der Redaktion?«
    »Solche wie der Hess sind bei uns nicht angestellt. Da hilft ein Blick ins Telefonbuch.«
    Er notierte sich den Namen. Ruck, zuck war die Hand mit dem Schein in seiner Jackentasche verschwunden. Dieser Idiot würde in der nächsten Nummer sowieso über ihn schreiben. Außerdem hatte er noch nie in seinem Leben für Informationen bezahlt. Und um das zu ändern, müsste schon einer von ganz anderem Kaliber als dieser Pelle Hyttested aufkreuzen.
    »Sie wären für ihn gestorben?«, rief Hyttested Carl hinterher, als er dem Ausgang zustrebte. »Warum haben Sie es dann nicht getan, Carl Mørck ?«
 
    Unten an der Rezeption bekam er die Adresse des Fotografen. Das Taxi setzte ihn in der Vejlands Alle vor einem winzigen Haus ab, dem die Jahre ordentlich zugesetzt hatten. Der Hof war mit einem Sammelsurium von Dingen zugemüllt, alte Fahrräder, kaputte Aquarien und gesprengte Glasballons, die vom häuslichen Brauen in vergangenen Zeiten zeugten, gammelige Planen, die nicht länger verfaulte Bretter versteckten, Berge von alten Flaschen und jede Menge Plunder.
    Ein umgekipptes Fahrrad vor der Eingangstür und leise Geräusche aus dem Radio hinter den schmutzigen Fensterscheiben deuteten an, dass jemand zu Hause war. Carl lehnte sich auf die Haustürklingel, bis es in seinem Finger zu pochen begann.
    »Verflucht, hör schon auf«, tönte es endlich von drinnen.
    Ein rotbackiger Mann mit den unmissverständlichen Anzeichen eines schweren Katers öffnete die Tür und blinzelte ins Sonnenlicht.
    »Verdammt, wie spät ist es denn?«, fragte er, ließ den Türgriff los und ging wieder ins Haus. Um ihm zu folgen, brauchte es keinen Gerichtsbeschluss.
    Zimmer wie das hier sah man in Katastrophenfilmen, wenn ein Meteorit die Erde getroffen hat.

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