Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Erkenntnis, dass sein alter Lehrmeister bei den freien Völkern als einer von ihnen lebte. Was wollte er dort? Und warum hatte er Nirvan nichts erzählt? Melanie war viel besser über die Geschehnisse informiert. Hatte er, ohne es zu wissen, das Vertrauen des Hofmagiers bereits vor seiner Mission verloren?
Aber die Beweggründe des obersten Hofmagiers waren jetzt nicht wichtig. Sennus war fort, und Nirvans Weltbild hatte sich verändert. Er wollte von nun an die ganze Wahrheit erfahren und nicht nur den wirren Gedankengängen eines alternden Monsters folgen. Er traf eine Entscheidung. Er versicherte sich auf magische Weise, dass er alleine und unbeobachtet war, dann begann er in seinem Gemach erneut mit den Vorbereitungen, Sommu Seth zu kontaktieren. Als er auf dem Boden im Pentagramm kniete, flüsterte er wieder und wieder den Namen des Drachen, bis dessen riesiges goldenes Auge sein ganzes Sichtfeld einnahm. »Kleiner Nirvan, was gibt es Neues?«
Nirvan blinzelte. »Sommu Seth, du bist zu nah an der Erscheinung. Bitte tritt zurück, sonst werde ich noch ganz wirr im Kopf.«
Ein »Oh« war zu vernehmen, dann sah Nirvan unzählige rotschimmernde Schuppen, die an ihm vorbeiglitten, nur um im Hintergrund der Höhle zur Ruhe zu kommen. »Besser so?«, fragte Sommu Seth in einem rauen, tiefen Bass.
Nirvan grinste neckisch. »Oh ja!«
Der Drache blickte ihn erwartungsvoll an. Nirvan nickte und begann seine Gedanken zu schildern. »Dank Sennus war meine Kindheit hart und ungerecht, das weißt du. Nicht, dass sie das vorher nicht schon gewesen war, aber Sennus hatte alles noch schlimmer gemacht. Aber auf der anderen Seite habe ich auch nur wegen ihm überlebt, verstehst du? Ohne ihn hätte ich nur den Tod erwarten dürfen, nachdem ich den Soldaten getötet hatte. Dieser Konflikt hat mich schon oft beschäftigt, aber damit ist es nun vorbei.« Er reckte sein Kinn nach vorne. »Weißt du, dass er mich als seinen Nachfolger in Erwägung gezogen hat?«
Der Drache bewegte seinen Hals, was seinem Kopf eine pendelnde Geste gab. »Junge! Wie du selbst weißt, wolltest du in unserer Gegenwart nur ungern über deinen alten Meister sprechen. Und das musstest du auch nicht. Wir erinnern uns gut an den Hofmagier. Einst sind wir ihm begegnet, und daran möchten wir nicht gerne erinnert werden. Er ist ein wahrlich übler Geselle.«
Nirvan stimmte ihm zu. »Ja, und er denkt stets an seinen eigenen Vorteil. Ich hatte mich als Jugendlicher meinem Schicksal ergeben. Ich war ein gehorsamer Schüler, der seine latenten Fähigkeiten nur für ihn einsetzte. Aber irgendwann ist mir klar geworden, dass er mir nur das beibrachte, was ich brauchte, um ihm als kleiner Handlanger dienen zu können. Da beschloss ich, meine eigenen Nachforschungen zu betreiben. Immer, wenn er sich nicht in seinem Studierzimmer aufhielt, habe ich mich hineingeschlichen und mir das Wissen aus den verbotenen Büchern angeeignet. Dadurch bin ich so gut geworden, dass Sennus mich tatsächlich als seinen Nachfolger erwog. Warum auch nicht? Er glaubte ja, dass meine Fähigkeiten ein Ergebnis meiner außerordentlichen magischen Begabung war, und nicht meiner zusätzlichen heimlichen Studien.«
Sommu Seth brummte belustigt. »Ein Magier, der sein Studierzimmer nicht vor seinem Lehrling schützen kann, wer hat denn schon so was gehört! Vielleicht ist Sennus doch älter und vergesslicher geworden, als wir glaubten.«
»Seine Nachlässigkeit war meine Stärke. Aber jetzt ist er dort draußen, Sommu Seth. Er ist dort draußen auf dem Festland und schmiedet üble Pläne. Und das Schlimmste ist, ich wusste es nicht einmal!«
Der Drache begann, seine Vorderbeine zusammenzurollen und eine bequeme Stellung einzunehmen. »Junge, mir ist gerade klar geworden, dass du nicht mit mir Kontakt aufgenommen hast, um mir Neuigkeiten zu schildern, sondern um deinen Kummer loszuwerden.«
»Kummer?« Nirvan dachte nach. »Ja, vielleicht hast du recht. Seitdem ich wieder hier bin, kann ich einfach nicht aufhören zu denken. Als ich fortgeschickt wurde, habe ich mich zuerst unvorstellbar frei gefühlt. Das Leben auf dem Festland ist so anders … Jeder kann tun und lassen, was er will, solange man keine Straftat im Sinne der Drachentochter begeht. Ich war dem Gefängnis meiner Kindheit entronnen, zumindest für eine bestimmte Zeit. Damals verspürte ich zwar eine gewisse Loyalität gegenüber dem Monarchen, aber das konnte ich erfolgreich verdrängen. Auch habe ich in der Zeit meiner
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