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Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Titel: Erbe des Drachenblutes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Thamm
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Luft ein. Der Podest war gute zwanzig Meter lang und fünfzehn Meter breit und bestand vollständig aus einem Eisblock, der so klar war, dass sie glaubte, er sei aus purem Kristall. Und obenauf, im gleichen weißblauen Eisschimmer eingehüllt wie der Rest der Höhle, lag er – so groß, wie ein zweistöckiges Bauernhaus. Seinen Kopf hatte er unter seinen rechten Flügel geschoben, dass nur die Nasenspitze hinten wieder hervorlugte. Sein meterlanger, weiß geschuppter Schwanz lag eng um seinen Körper herumgeschlungen: ein zusammengerollter Drache!

    v v v v v
    Seit einigen Tagen verbrachte er jede freie Minute in seinen Privatgemächern. Es waren die Gemächer, die ihm und seinen engsten Vertrauten direkt von der Regentin Samantha zugeteilt worden waren. Doch in den letzten Monaten hat er niemanden mehr hereingelassen. Niemanden außer SinSan, seinem persönlichen Assistenten. SinSan war es auch, der ihn jetzt in seiner Konzentration störte, indem er mehrfach sanft an seiner Schulter rüttelte. Widerwillig öffnete Xsanthani seine Lider, darunter kamen tiefschwarze Augen zum Vorschein, die SinSan einen Schritt zurücktreten ließen.
    »Meister Xsanthani. Verzeiht meine Störung, doch die einberufenen Ratsmitglieder sind so weit.«
    Der schwarzhaarige Elb verneigte sich gleitend. Xsanthani wirkte zuerst verärgert, doch dann glitten seine Gesichtszüge wieder in eine neutrale Gleichgültigkeit.
    Er nickte und stand auf. »Gut, SinSan. Dann wollen wir sie nicht länger warten lassen.«
    SinSan verneigte sich erneut, dann fiel sein Blick auf den Tisch, vor dem der Gelehrte gesessen hatte. In der Mitte lag eine zwei Hand große Kristallkugel auf einem filigranen goldenen Gestell in Form von ineinander greifenden Ahornblättern.
    »Habt Ihr Erfolg mit Eurer Beschwörung gehabt, Meister?«
    Xsanthani drehte sich um und sah, was SinSan betrachtete. Unter anderen Umständen hätte jemand, der ihm die Frage gestellt hätte, sein Leben riskiert. Doch SinSans Loyalität galt ausschließlich Xsanthani, was er schon mehrmals unter Beweis gestellt hatte. Xsanthani hatte ihn damals gefunden, als er sich gerade mit einem Strick um den Hals das Leben nehmen wollte – eine Tat, die ein anderer Elb niemals akzeptiert oder verstanden hätte. Es war eine unwürdige Handlung, die nicht nur ihn, sondern auch seine ganze Familie und Sippe entehrt hätte. SinSan war das damals gleich gewesen, denn er hatte das verloren, was ihm am teuersten auf der Welt war: seine geliebte Frau und seine dreijährige Tochter. Beide waren im Schlaf ermordet worden, direkt neben ihm, und er war dabei nicht erwacht. Wie das möglich war, konnte er sich niemals erklären, aber als er die Augen aufgeschlagen hatte, war er der Einzige gewesen, der noch lebte. Er hatte nie herausgefunden, wer der Täter war. Die anderen Sippenmitglieder hielten jedoch ihn für schuldig, was aber nicht bewiesen werden konnte. So kam es, dass man ihn in Schande verstieß und er nicht weiter gewusst hatte, als seinem Leben ein Ende zu setzen. Xsanthani hatte darüber nie ein Wort verloren. Er hatte ihn aufgenommen, ihm wieder Selbstwertgefühl und seinem Leben einen neuen Sinn gegeben. Er hatte einen Vertrauten gebraucht, und als er SinSan gefunden hatte, wusste er, dass er genau der Richtige war: ein Elb, der unter Seinesgleichen das Gesicht verloren hatte und alles dafür tun würde, um wieder in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Und als Assistent des Gelehrten wurde er nicht nur aufgenommen, sondern erhielt eine wichtige Position – eine Position mit Macht und Einfluss. SinSan hatte das nie vergessen und war zu allem bereit, wenn Xsanthani es forderte. Es gab nur eine Sache auf der Welt, die ihm wichtiger gewesen wäre, doch das schien unmöglich: das Auffinden des Mörders seiner Familie.
    »Mein Freund, du bist wieder einmal zu neugierig«, antwortete Xsanthani nachsichtig.
    »Verzeiht, mein Herr.«
    »Es soll dir verziehen sein. Und ja, ich hatte Erfolg.« Ein humorloses Grinsen huschte über die feinen Gesichtszüge des Gelehrten.
    »So habt Ihr es wirklich geschafft, einem der Greife Euren Willen aufzuzwingen und durch seine Augen zu sehen?« SinSan wirkte tatsächlich beeindruckt, als er fast zärtlich einige Zentimeter über der Kristallkugel eine streichelnde Handbewegung vollführte.
    Xsanthani ergriff seinen samtenen Umhang, den er sich über die Schultern warf. »Ich habe gesehen, was notwendig war. Ich weiß jetzt, dass das fremde Mädchen, das sich als

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