Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Erfahrungen selbst gemacht und jede Bewegung eingeübt.
Ein anerkennendes Kopfnicken zeigte, dass Nirvan ihr ein so unauffälliges Verhalten nicht zugetraut hätte. »Wie hast du das gemacht, Mina? Du warst nicht zu sehen und nicht zu hören, aber du hast keine Magie eingesetzt, das hätte ich gespürt.«
Sie lächelte. »Ich brauche keine Magie. Zumindest nicht dafür. Es ist eines der Geschenke von Lian. Ich habe die Fähigkeit, mich einem Chamäleon gleich meiner Umgebung anzupassen, wenn es sein muss. Und in einer so eintönigen Landschaft wie hier war es keine sonderliche Herausforderung.«
»Und wie hast du die Wächter außer Gefecht gesetzt?«
»So, wie ich auch das geheime Wort von unserem Heerführer erfahren habe. Eigentlich verbietet mir mein Wissen, meine Kräfte für etwas Negatives einzusetzen, aber ich glaube, wir machen hier eine Ausnahme. Die Wächter und Herdanik sind Menschen. Menschen kann ich durch eine sanfte Berührung im Genick fast zu allem bringen. Den Wächtern habe ich `Schlaf´ befohlen. Herdanik befahl ich, das geheime Wort zu offenbaren. Und wenn sie morgen aufwachen, werden sie von all dem nichts wissen.« Sie beugte sich dicht zu seinem Gesicht. »Beides hat funktioniert! Ich kann es kaum glauben, zu was ich auf einmal fähig bin.«
Ihm wurde ein wenig warm. So nah machte Mina ihn nervös. »Und wie lautet nun das geheimnisvolle Wort?«
Sie spitzte ihre Lippen. »Santaba-Constanzensius.«
Kaum hatte sie es ausgesprochen, da lösten sich die Fesseln und fielen zu Boden. Als sie dort leise scheppernd aufkamen, hatten sie nur noch die Größe von Fingerringen.
Nirvan rieb sich die Handgelenke. »Weißt du, deine neuen Fähigkeiten gefallen mir.«
»Ich hoffe, ich störe euch beide nicht.« Die Stimme erklang hinter Mina. Sofort schnellte sie herum, ihre Hand lag am Dolch. Nirvan schrak hoch und stand sprungbereit neben ihr. Seine Pupillen hatten einen rötlichen Schimmer angenommen.
Erleichterung überkam Mina. »Zados!« »Willst du uns aufhalten?«, fügte Nirvan tonlos hinzu. Der Halbelb ließ einen abwertenden Blick über Nirvan gleiten. »Wenn ich wüsste, dass es helfen würde, dann täte ich es. Wenn ich wüsste, dass ich Mina davon überzeugen könnte, nicht mit dir zu gehen, dann würde ich auch das tun. Aber ich weiß, dass es nichts nützt.«
»Denkst du etwa, sie ist bei einem Halbblut besser aufgehoben?« Die zwei Männer traten sich gegenüber, und die Blicke zwischen ihnen verhießen nichts Gutes.
Mina mischte sich ein. »Wisst ihr, es wäre mir sehr lieb, wenn ihr ein wenig leiser sein würdet. Wir wollen doch niemanden wecken, oder?« Sie trat vor und blickte Zados bittend an. »Du bist mein Freund, das weißt du. Ich schätze dich und deine Meinung, und will dich nicht verlieren, aber in Nirvan täuschst du dich! Ich kann es dir nicht erklären, aber ich vertraue ihm.«
Nirvan schaute sie verwundert an, schwieg aber. Zados‘ Blick wurde traurig. Er streckte eine Hand nach ihr aus, doch bevor er sie berührte, ließ er sie wieder sinken. »Mina, du willst mit ihm fliehen?«
»Fliehen ist vielleicht das falsche Wort. Ich will mit ihm einen Versuch starten, die Welt zu retten. Ich will mit ihm zum dunklen Kontinent.«
Jetzt riss er seine Augen weit auf. »Was?«
»Bitte, Zados, halte uns nicht auf. Ich weiß, dass ihr alle denkt, ich sei eure letzte Rettung. Unheimliche Dinge geschehen, doch die Wurzel allen Übels liegt meines Erachtens direkt im Land der Verbannten. Und mit einer Armee kann ich dort nicht hineingelangen. Zumindest nicht, ohne viele unschuldige Leben zu opfern. Das will ich nicht, Zados. Es muss einen anderen Weg geben, und den gibt es auch, an Nirvans Seite. Er kennt den dunklen Kontinent wie seine Westentasche; er findet einen Weg, der uns ungesehen bis in die düstere Festung des Monarchen bringen wird.«
»Ja, aber was willst du dort? Um Gaias Willen, du kannst nicht gegen Cor Keto antreten! Er ist viel zu mächtig!«
»Vielleicht«, konterte Mina, »vielleicht aber auch nicht. Lian war genauso mächtig, und Ignis konnte sie besiegen. Gut, ihre Kräfte waren noch in der Zeit erstarrt, aber meine Macht ist jetzt vollständig erwacht!«
»Ja, du bist mächtig, aber du weißt doch noch gar nicht, wie du damit umgehen sollst. Selbst eine erfahrene Drachentochter ist sich nach Jahrzehnten ihrer Regentschaft nicht sicher, zu was sie fähig ist und zu was nicht. Du brauchst Zeit, Mina. Zeit, um zu lernen, was es heißt, eine
Weitere Kostenlose Bücher