Erbe des Drachenblutes (German Edition)
unsicher vor ihm. Der eine schwankte leicht. Was auch mit ihnen geschehen war, es wirkte noch nach.
»Mein Heerführer«, begann einer, »ich kann es selbst nicht erklären. Keiner hat etwas gehört oder gesehen, und dann war alles dunkel. Als ich erwachte, sah ich ihn über mich gebeugt.« Er zeigte auf Nexus, der ein wenig abseits stand und seine rissigen Fingernägel mit einem kleinen Messer reinigte.
»Wen interessiert denn, was du später gesehen hast! Ich will wissen, wie das passieren konnte!« Herdanik hatte eine dunkelrote Gesichtsfarbe.
Salvatorus sorgte sich erneut um die Gesundheit des Heerführers, da mischte sich Zados ein. »Bitte beruhigt Euch.«
Blitzschnell drehte sich Herdanik zu dem Halbelben. »Wisst Ihr, was heute Nacht hier geschehen ist und wie es sein kann, dass der verdammte Magier verschwunden ist? Ich kann mir einfach nicht erklären, wie er aus den magischen Fesseln entkommen und unsere Thronfolgerin entführen konnte!«
Zados trat näher an ihn heran. »Herdanik, nur ein einziger Mensch war fähig, ihn von seinen Fesseln zu erlösen: Ihr. Und nachdem das Drachenblut in Mina erwacht ist, kann sie nicht ohne Gegenwehr entführt werden.«
Herdaniks Gesicht schien anzuschwellen, der Rotton darauf wurde noch dunkler. »Was wollt Ihr damit andeuten? Meint Ihr etwa, ich habe diese miese Kreatur befreit?«
»Nein, Heerführer. Ich meine, dass Mina die Einzige ist, die die Macht dazu besitzt, Euch das Wort zu entreißen und den Magier freizulassen.«
»Und wenn sie das getan hat«, mischte sich Nexus ein, »dann ist es der freie Wille der zukünftigen Regentin, ja, ja. In dem Fall steht es uns nicht zu, ihren Wunsch zu kritisieren, wirklich nicht!«
Herdanik blickte von dem kleinen grünen Mann zu dem Halbelben. Nur schwer schaffte er es, Luft zu holen und sich langsam wieder zu beruhigen. Nachdem einige Momente des Schweigens vergangen waren, griff er sich an die Stirn. Er sah aus wie ein Mann, der eine große Last zu tragen hatte. »Ihr unterstellt der neuen Drachentochter, mit einem Mörder und Verräter unter einer Decke zu stecken.«
»Nein«, konterte Zados. »Ich weiß aber, dass Mina ihren eigenen Weg gewählt hat und dass sie das Beste für uns alle wünscht. Auch wenn wir nicht ihrer Meinung sind, sollten wir dennoch an sie glauben. Das ist es ja auch, was der Völkerrat seit Jahrhunderten tut: einer einzelnen Führungskraft blind vertrauen!«
»Nicht zu vergessen, dass Zados sie heute Nacht gemeinsam mit Nirvan hat fliehen sehen, wirklich«, fügte Nexus gedankenverloren hinzu.
Seine Aussage sorgte für Unruhe. Salvatorus überkam ein starkes Schwindelgefühl, sein Herz schmerzte: zuerst der Verrat seines Sohnes, zu dem er nie offen gestanden hatte und für dessen Taten er sich schuldig fühlte. Und dann das: Die neue Regentin, in die er alle Hoffnungen gelegt hatte, war verschwunden. Er trat einige Schritte zurück.
Herdanik versuchte sich zu sammeln. Mehrfach setzte er zu einem Satz an, den er am Ende in anderer Form von sich gab. »Ihr habt sie weglaufen sehen? Gemeinsam? Und Ihr habt sie nicht aufgehalten?«
Der Halbelb war von der Wendung des Gesprächs nicht begeistert. Am Morgen hatte er seinem Freund Nexus von den Geschehnissen der Nacht berichtet. Der Waldkobold konnte aber seine Entscheidung, die beiden gehen zu lassen, nicht nachvollziehen und war dementsprechend wütend auf ihn gewesen. Missmutig wandte sich Zados an Herdanik. »Heerführer, ich muss meinem Gewissen folgen, so wie wir alle. Und ich vertraue Mina. Sie ist auf ihre eigene Mission gegangen, nicht mehr und nicht weniger, und sie wird uns niemals verraten. Ich bin mir sicher, dass sie einen Weg finden wird, alles wieder in Ordnung zu bringen«
»Du …«, stieß Herdanik wie eine Drohung aus, doch dann stellte sich Salvatorus zwischen die zwei Männer. »Ich glaube, dass er in einem Punkt recht hat. Mina soll unsere zukünftige Regentin werden. Und wir, so wie wir hier stehen, hatten bereits vor unserer Suche nach Lian entschieden, dass wir ihr folgen werden. Wenn sie jetzt Nirvan vertraut, dann habe ich noch einen Funken Hoffnung, dass seine Absichten nicht so schlecht sind, wie sie zuerst erschienen. Ich glaube, dass er etwas für sie empfindet und sie allein deshalb nicht in Gefahr bringen wird.«
»Nicht in Gefahr?«, wiederholte Herdanik abwertend. »Nicht in Gefahr? Was glaubt Ihr, wohin die zwei wollen? Egal mit welchen Absichten sie losgezogen sind, sie werden zum dunklen Kontinent gehen,
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