Erbe des Drachenblutes (German Edition)
wunderschön anzusehen, aber er trug einen Schatten in seinem Herzen. Pontos erkannte das und wollte ihn davon erlösen. So griff er in die Brust des Elben und holte den Schatten heraus. Dem Elb gab Pontos den Namen Sonnenelb, und er wurde der Vater aller Väter der Elben. Doch auch die von dem Gott achtlos weggeworfene Finsternis formte sich zu einem Lebewesen, dem allerersten Nachtalben. Jener spürte, dass sein Schöpfer ihn nicht liebte, nicht lieben konnte, und so lebten er und all seine Nachfahren fortan nur im Hass. So kam es, dass sie seit dem Tag ihrer Geburt alles zerstören wollen, was die Götter mit Hingabe erschaffen haben.«
Mina blickte nachdenklich in den Himmel. Der Regen hatte aufgehört. Keine einzige Wolke war mehr zu sehen, und die Sonne schickte ihre wärmenden Strahlen hinab. »Bei uns auf der Erde gibt es auch Geschichten über Licht- und Dunkelelfen, die den Geschichten hier gleichen. Manchmal frage ich mich, ob unsere Welten nicht doch mehr gemeinsam haben als ein paar vereinzelte magische Zeitreisende.«
Nirvan wirkte nervöser. Er ergriff Minas Hand und zwang sie dazu, schneller zu gehen. »Lass es gut sein, Mina. Wir haben noch einen langen Fußmarsch vor uns, und ich bin wirklich froh, dass diese Krieger nicht unseren Weg gekreuzt haben.«
Mina folgte seinen schneller werdenden Schritten und warf letztmalig einen Blick nach hinten. Sie fragte sich, wie die gut disziplinierten, aber eben doch überwiegend menschlichen Soldaten der weißen Regentin mit solchen Gegnern zurechtkommen sollten.
»Ich hoffe, dass die nächsten Wanderer, denen wir begegnen, eine Herde Dscheilas sind«, warf Nirvan eilig ein. Mina verstand nicht. »Was sind Dscheilas?«
Nirvan blickte über seine Schulter. »Es gibt sie nur hier auf dem dunklen Kontinent. Sie sind fremdartige Reittiere, die groß genug sind, um einen ausgewachsenen Menschen zu tragen. Sie gleichen entfernt einer überdimensionalen Raubkatze, die sich mit einem Pferd gepaart hat. Auf der Stirn tragen sie zwei geschwungene Hörner und die Fersen ihrer vier Pfoten sind mit einem scharfen Dorn verziert. Sie haben einen langen, breiten Schwanz, der mit Tigerstreifen überzogen ist, die bis zu den Hinterbeinen reichen.«
Unglauben zeigte sich in Minas Gesicht. »Es gibt sie hier, Mina. Aber sie sind selten. Wenn wir sie sehen, dann wirst du meinen Worten schon Glauben schenken. Sie sind einfach eine Laune der Götter, nicht mehr und nicht weniger.«
Sie begegneten aber keinen der ungewöhnlichen Tiere auf ihrer Wanderschaft. Stattdessen liefen sie den ganzen Tag, stets darauf bedacht, im Verborgenen zu bleiben.
Bald ging der kleine Pfad, dem sie folgten, in eine gut ausgebaute Straße über. In dem festgestampften Kies erkannte Mina die Spuren von Holzkarren und Pferdehufen, aber ansonsten sah der Weg wenig benutzt aus. Gelegentlich kam es vor, dass Nirvan aus weiter Distanz einige Reisende ausmachte, dann drückte er Mina ins Unterholz und sie warteten, bis die Reisenden wieder außer Sicht waren.
Mina betrachtete das Land sehr aufmerksam. Sie sah jetzt alles mit ganz anderen und deutlich neutraleren Augen. Zwar gab es hier Kreaturen, denen sie wirklich nicht im Dunklen begegnen wollte, doch sie erkannte auch kleinere Häuseransammlungen, in denen anscheinend ein normales Familienleben stattfand. Sie sah kleine Kinder, die vor den Häusern spielten, und ein Liebespärchen, das bei der Feldarbeit eine Pause einlegte und sich verstohlen küsste. Die freundlich lachende Sonne unterstrich ihren Eindruck, und Mina entschied, dass der dunkle Kontinent gar nicht so viel anders als das Festland war.
Nirvan nutzte eines der kleinen Dörfer, an denen sie vorbeikamen, um Proviant zu besorgen. Im Schatten seiner Magie verschwand er ungesehen und kam mit einem reich gefüllten Beutel zurück. Zwar hielt Mina nichts vom Stehlen, doch ihr Magen ließ ihr keine andere Wahl als zuzugreifen. Von den Eisenmünzen mit dem Konterfei von Cor Keto, die hierzulande laut Nirvan als Zahlungsmittel galten, besaßen sie keine, also blieb ihr nichts anderes übrig.
Als die Nacht hereinbrach, suchten sie Unterschlupf in einem baufälligen Heuschober. Zwei magere Kühe und ein Esel, dessen Rücken von der Arbeit schon ganz krumm war, beobachteten schweigend ihr Eindringen.
Am kommenden Tag weckte Nirvan Mina noch vor dem Sonnenaufgang. Sie gingen, bevor sich in dem Bauernhaus nebenan etwas rührte. An diesem Morgen war Mina nachdenklicher denn je. Jetzt erst fragte sie
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