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Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Titel: Erbe des Drachenblutes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Thamm
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toste ein reißender Fluss, der zornig und wild seine Wassermassen auftürmte, nur um wieder zusammenzufallen.
    »Wenn wir da runterspringen, sterben wir!«, rief Mina.
    »Und wenn ihr nicht springt, habt ihr auch keine Zukunft. Der Tod ist euch hier oben gewiss«, erwiderte Zados streng. »Ohne Nirvans Hilfe kann ich die Kreaturen nicht aufhalten. Ihr habt also keine Wahl!«
    Plötzlich schlug Mina eine Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Ekliger Gestank nach Schweiß und Fäulnis drang an ihre Nase. Nur wenige Schritte entfernt waren gut zwanzig Wurzelfresser mit ihren Bodam-Schlangen aus der Erde geschossen und warteten regungslos auf den Angriffsbefehl. Es sah aus, als ob sie eine widerspenstige Beute mit ihrem Anblick jede Hoffnung rauben wollten, bevor sie zuschlugen, und bei ihr hatte die Taktik Erfolg. Zados ließ seinen Langboden fallen. Ohne Pfeile war er nutzlos, gar hinderlich geworden. Stattdessen ergriff er wortlos zwei kleine, schlanke Klingen. »Springt endlich«, rief er, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Mina glaubte nicht, dass sie es fertig brachte, ihren neu gewonnen Freund mit diesen Monstern alleine zurücklassen, doch dann ging alles sehr schnell. Die Bodam-Schlangen setzten sich zuckend und huschend in Bewegung. Mit Geschrei und Getöse stürzten sie sich auf Zados, der flink von einer zur anderen tänzelte, um ihnen seine Klingen durch die Kehlen zu stoßen. Gleichzeitig traf Nexus eine Entscheidung und sorgte dafür, dass Nirvans Gewicht beide nach vorne zog. Mina spürte, dass sie nach vorne kippten, und sie wusste, dass das nur das Ende sein konnte, doch sie wollte den Blick nicht von dem kämpfenden Halbelben abwenden. Dann glitt sie über den Abgrund und stürzte … wieder einmal. Der Fluss glich einem riesigen, wimmelnden Schlangennest, das nur darauf wartete, dass man ein hilfloses Opfer hineinwarf, damit er sich daran nähren konnte. Wo war der Unterschied zwischen dem reißenden Fluss und den monströsen Wurzelfressern? Beides konnte nur den Tod bedeuten, davon war sie überzeugt.

    v v v v v
    Weit von den Geschehnissen entfernt, öffnete sich eine mit Gold verzierte Tür. Dahinter lag ein lichtdurchfluteter Saal, der so gewaltig war, dass jeder Betrachter Zeit brauchte, um alles zu erfassen. Ein hochgewachsener Mann mit einem grauen, dezent gestutzten Bart und schulterlangen graubraunen Haaren betrat den Saal andächtig. Ein lose fallendes, langärmeliges Gewand in Rubinrot mit Goldbesätzen reichte ihm bis zu den Knien. Darunter kam eine dunkle Pluderhose aus einem feingesponnenen Baumwollstoff zum Vorschein, die in hochgeschlossenen, schwarzen Stiefeln endete. Ein breiter Gürtel mit einem gelb-blauen Muster in Form von Weidenranken fasste das Gewand zusammen und bot Halt für die Schwertscheide, die jedoch an diesem Ort leer war. Er blieb in der Mitte des Saals stehen und verneigte sich. Die kostbaren Gewänder konnten nicht verbergen, dass diese ehrerbietige Geste von seinem deutlich sichtbaren Bauchumfang erschwert wurde. Das bequeme, kriegsarme Leben in den letzten Jahrzehnten und sein zunehmendes Alter hatten das Nötige dafür getan, dass er seine ehemals gestählte Figur verloren hatte. Doch das hinderte seinen Verstand nicht daran, stets wachsam zu sein, was ihm seine beratende Stellung am Hofe eingebracht hatte.
    »Meine Regentin«, begann er ruhig, »die Männer unter Heerführer Herdanik Sann, die Ihr zur Unterstützung Nirvans und seiner Begleiter ausgesandt habt, haben uns eine magische Nachricht zukommen lassen.«
    »Euer Gesichtsausdruck verrät mir, dass die Nachricht nicht unbedingt von guter Natur ist.« Vor dem Mann saß auf einem erhöhten Thron eine Gestalt, die über und über im Sonnenlicht badete und von einer solchen Schönheit war, dass sie der Welt entrückt erschien. Ihr makelloses Gesicht ließ sie nicht älter als vierzig Winter erscheinen, aber in ihren wasserblauen Augen lag eine uralte Tiefe, die jedem Angst einjagte, der zu lange hineinblickte. Umrundet wurden ihre marmorgleichen, honigfarbenen Züge von feinen Haaren, die ihr bis zur Hüfte reichten. Die Reinheit des Weißes dieser Haare wurde nur noch von den gleichfarbigen Gewändern übertroffen, die luftig die feinen Konturen ihres schlanken Körpers nachzeichneten.
    Sie blickte ihn streng an. »Was besagt sie?«
    Der Mann überlegte kurz, dann drückte er seinen Rücken durch und hob das Kinn. »Sie besagt, dass der Magier Nirvan und seine Gefährten verschwunden sind.

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