Erbe des Drachenblutes (German Edition)
nicht ...«, begann Janice, doch das krumme Mütterlein unterbrach sie.
»Doch, Mensch, du verstehst! Ich fragte dich, was du bereit bist, für dein Überleben zu tun. Und du, wie jeder andere, wirst so ziemlich alles tun, um zu überleben.«
Sie grinste und entblößte dabei ein paar schwarze Zahnstummel. Ihr Blick war abstoßend. Janice kam es vor, als blicke sie ihr mit diesen kalten, dunklen Augen bis ins Innerste des Herzens.
»Mein Name ist Medana. Ich bin die größte Koboldschamanin, die es auf Dra'Ira gibt. Bei meinem Volk stehe ich noch weit über den Anführern der Clans, werde von ihnen verehrt und gefürchtet, und ich bin neben dem obersten Hofmagier eine der engsten Vertrauten unseres ehrenwerten Monarchen, dem einzigen Herrn des dunklen Kontinents.«
Janice fröstelte. »Was willst du von mir?« Medana kicherte. »Ich will, dass du mir ein wenig hilfst. Du musst dafür nicht einmal sehr viel tun. Unser Herr hat ein paar Aufgaben für dich, und ich glaube, wir beide werden einen Weg finden, dass du sie zu unserer aller Zufriedenheit erfüllen wirst.«
Die Koboldschamanin näherte sich weiter, bis sie direkt am Steinaltar stand. »Weißt du, Menschlein, wir alle haben Ängste. Urängste. Es liegt in unserer Natur, Angst zu haben. Wir werden durch sie geschützt und behütet. Stellt man sich aber seinen Ängsten, gibt es nichts mehr im Leben, was einem unerreichbar erscheint.« Ein Speichelfaden rann aus ihrem Mundwinkel. »Und ich werde dich lehren, dass du dich deinen Ängsten stellst, so lange, bis du eine von uns bist.«
»Was?« Janices Augen weiteten sich. »Wenn du mich das Fürchten lehren willst, dann ist es dir gelungen, aber helfen kann ich dir nicht! Alles, was ich wusste, habe ich deinem Herren bereits gesagt.«
Kichernd neigte die Alte ihren Kopf direkt über den von Janice. Ein irres Funkeln musterte jeden Zentimeter ihres Gesichtes. »Wenn du denkst, dass du bereits Furcht empfunden hast, irrst du dich. Und lass es unsere Entscheidung sein, ob du uns noch von Nutzen sein kannst!« Gemächlich zog sie sich wieder zurück. »Weißt du, worauf du liegst?«, fragte sie leise.
Janice drehte den Kopf zu ihren Handfesseln, schüttelte ihn dann aber verneinend.
»Es sieht aus wie ein normaler Steinaltar, nicht wahr? Aber es ist viel mehr als das. Es ist ein versteinerter Rückenwirbel des Urvaters aller Drachen. Verfärbt von all dem Blut, das über ihn lief. Er ist so alt wie die Götter selbst, und es gibt fast nichts, was der Urdrache nicht gesehen oder erlebt hat. Er war in den Abgründen des Seins und inmitten der Existenz.« Die Alte hielt kurz inne und ließ ihre Worte wirken, dann fuhr sie fort. »Und du, meine Kleine, wirst dich mit deinem Blutopfer mit seinem untoten Geist verbinden, und dann nimmt er dir das, was du als dein menschliches, mitfühlendes Herz bezeichnest. Auch deine Seele wird dabei wohl auf der Strecke bleiben, aber die wird sowieso überbewertet. So wirst du zu einer von uns, einer absolut treuen Anhängerin unseres Gebieters, und natürlich von mir.«
Janices Atem ging stoßweise.
Medana sah zufrieden aus. »Wenn ich mit dir fertig bin, das verspreche ich dir, wirst du dir wünschen, dass einer meiner Soldaten dir die Kehle durchgeschnitten hätte. Du wirst lernen, was es heißt, keine Angst mehr zu haben, da du alle Urängste auf einmal durchmachen wirst. Und dann wirst du uns nützlich sein: kalt und emotionslos. Du wirst uns freiwillig jedes Geheimnis in deinem Herzen verraten, und wir werden wissen, ob du vorher gelogen hast. Ist das nicht wunderbar?«
Die Alte krächzte etwas Unverständliches und zog in Windeseile einen Dolch unter ihren Kleidungsschichten hervor. Mit einem Schrei des Entsetzens sah Janice, wie sie die Klinge mit geschickten Bewegungen über ihre Handgelenke zog. Und noch bevor der Schmerz kam, sah sie stoßweise ihr eigenes Blut hervorquellen. Janice kreischte, brüllte und zappelte, doch es half nichts. In aller Ruhe ging die alte Koboldschamanin an das Fußende des Altars, verzog die Mundwinkel zu einem Schmunzeln und schnitt auch die Adern an ihren Fußgelenken auf.
»Mach dir keine Gedanken, Mensch, verbluten lasse ich dich nicht. Ich weiß, was ich tue, und du wirst es bald verstehen. Du wirst deine Ansichten über Angst und Leid in naher Zukunft ändern, auch wenn ich dir nicht versprechen kann, dass es schmerzfrei und schnell gehen wird.«
»Ich habe Ihnen doch nichts getan!«, schluchzte Janice verzweifelt. »Bitte hören
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