Erben der Macht
Ob in den Schriften der Schlüssel versteckt war, der, laut Kashyapa, in der Vergangenheit lag? Aber darum würde sie sich später kümmern.
Wie im Haus in der Stadt gab es hier nirgends Ecken in den Räumen. Alles war abgerundet und ging fließend ineinander über. Offensichtlich hatte Mokaryon damit seinem Naga-Erbteil Rechnung getragen.
Sie fragte sich, was er mit so vielen Räumen gemacht hatte. Wahrscheinlich war die Residenz nur deshalb so groß, damit er sich in dem dadurch vermittelten optischen Machtgefühl sonnen konnte. Und da er teleportieren konnte, hatte er die reale Größe vielleicht gar nicht wahrgenommen. Davon abgesehen erinnerte die Ausstattung mancher Zimmer an Folterkammern. Der Gedanke, dass das Wesen, das darin tatsächlich Menschen oder andere Wesen gefoltert haben könnte, ihr biologischer Vater war, verursachte ihr Übelkeit.
Möglicherweise hat er Dienergeister gequält , vermutete Devlin, der ihre Gedanken mitbekommen hatte. Dienergeister empfinden keinen Schmerz, können das aber so perfekt vortäuschen wie jede andere menschliche oder dämonische Gefühlsregung. Und auf herkömmliche Weise kann man sie auch nicht töten. Solche Folterungen wären genau der Kick, den ein Dienergeist als höchsten kulinarischen Genuss empfindet.
Bronwyn schüttelte den Kopf. Mir wird schlecht bei dem Gedanken, was für ein Wesen Mokaryon gewesen sein muss, dass er Spaß daran gehabt hat, lebende Geschöpfe zum Vergnügen zu foltern.
Ein Dämon, durch und durch .
Was die Sache zwar erklärte, aber für sie nicht erträglicher machte.
Sie hatten die unterste Ebene des Kellers erreicht. Ein Gang führte zu einem Raum, der die perfekte Imitation einer kleinen Arena nach römischem Vorbild war. Bronwyn standen die Haare zu Berge, als sie ihn betrat. Er strahlte etwas aus, das sie zwei Schritte zurücktreten ließ. Und der Geruch … Auch an die dreiunddreißig Jahre nach seiner letzten Benutzung stank er nach altem Schweiß, Urin und Exkrementen, und der metallische Geruch von Blut schien am Boden und an den Wänden zu haften.
„Mein Gott“, entfuhr es ihr. „Wozu wurde dieser Raum benutzt?“ Sie ahnte die Antwort, noch ehe Simon Winter sie ihr gab.
„Mokaryon hat menschliche Krieger gegeneinander kämpfen lassen, die er mit seiner Magie zu diesem Zweck entführt hat, und sich von den freiwerdenden Energien ernährt.“
„Gladiatorenkämpfe“, interpretierte Devlin. „Offenbar haben ihm die Kriegsschauplätze in dieser Welt nicht gereicht.“
Bronwyn schüttelte den Kopf. Ihr Vater wurde ihr mit jeder Information, die sie über ihn bekam, unsympathischer.
„Die Berater haben ihm davon abgeraten, Kriege nach alter Tradition anzuzetteln“, fuhr Simon fort. „Sie waren überzeugt, dass das nur unerwünschte Aufmerksamkeit unter den Menschen erregen würde. Ebenso wenn er seine menschlichen Feinde auf einen Schlag vernichtet hätte. Ganz abgesehen davon, dass die Menschen schon immer in sehr großer Überzahl existierten. Selbst wenn er alle Feinde ausgelöscht hätte, wären wieder neue entstanden. Die Ke’tarr’ha waren von Anfang an nicht sehr zahlreich in dieser Welt. Im Verborgenen zu wirken – weitgehend jedenfalls – erschien daher als die bessere Strategie.“
Aber auch die hatte nicht verhindert, dass sie alle sowie ihre mit Menschen gezeugten Nachkommen bis zum letzten Spross ermordet worden waren. Bronwyn verließ diesen Ort des Grauens.
„Ich will, dass diese Arena verschwindet“, ordnete sie an. „Dass jede noch so winzige Spur von ihr aus der Residenz getilgt wird.“
„Ja, Herrin“, bestätigte Simon.
„Bronwyn bitte, nicht Herrin.“
Bronwyn fühlte Magie von Simon ausgehen. Sekunden später spürte sie andere Dienergeister, die in die Arena schwärmten und weitere, diesmal erheblich stärkere magische Emissionen, mit denen sie die Arena beseitigten. Sie ging um die nächste Gangbiegung und stand vor einer Tür, die Simon ihnen nicht öffnete, sondern fünf Yards davor stehenblieb, als verliefe dort eine unsichtbare Grenze.
„Was ist in diesem Raum?“
Simon schüttelte den Kopf. „Das weiß niemand von uns. Mokaryon hat uns verboten, ihn zu betreten oder ihm auch nur nahe zu kommen. Es ist sein ganz persönlicher magischer Arbeitsraum.“
Bronwyn hatte keine Lust, sich die Perversitäten anzusehen, die wahrscheinlich dort auf sie warteten. Zumindest nicht jetzt. Die Tour durch die Residenz hatte sie erschöpft.
„Simon, ich wünsche, dass die gesamte
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