Erben der Macht
Dämonen mit Magie nachhalfen. Obwohl sie dort keine Dienergeister wahrgenommen hatte, erklärte ihre Existenz, wie das möglich war. Je tiefer sie in die Welt der Dämonen eintauchte, die, ob sie wollte oder nicht, auch ihre Welt war, desto mehr faszinierte sie sie.
„Zunächst sag mir deinen Namen“, bat sie den Dienergeist.
„Winter. Wie wir alle.“
„Dann hat euch der Dienst für Mokaryon offensichtlich gut geschmeckt“, vermutete Devlin.
Bronwyn sah ihn verständnislos an.
„Dienergeister haben keine individuellen Namen“, erklärte er. „Es sei denn, du gibst ihnen einen. Sie bezeichnen das Stadium ihres Kontraktes mit einem Auftraggeber mit einer Jahreszeit, an der man erkennen kann, wie oft sie schon für denselben Auftraggeber tätig waren. Beim ersten Mal nennen sie sich Frühling in der jeweiligen Sprache ihres Auftraggebers, beim zweiten Mal oder wenn der Kontrakt verlängert wird, Sommer, beim dritten Mal Herbst, das vierte Mal Winter. Wenn sie danach noch einmal für denselben arbeiten, dann ist dieser fünfte Kontrakt buchstäblich auf die Ewigkeit angelegt und heißt ein solcher Dienergeist ab da Eternal. Ein Eternal-Kontrakt kann nie wieder aufgelöst werden, weshalb nur sehr wenige Dienergeister ihn überhaupt eingehen. Die große Mehrheit von ihnen arbeitet nur ein einziges Mal für einen Auftraggeber. Wenn die hier alle zur Winter-Kategorie gehören, muss Mokaryon sie gut gefüttert haben.“
„Das hat er“, bestätigte Winter. Er blickte Bronwyn an. „Dürfen wir hoffen, dass du dasselbe tust?“
„Ich werde mir Mühe geben.“ Sie wandte sich an die Wächterdämonen. „Wie ist es mit euch? Habt ihr Namen?“
„Wächter“, antwortete deren Anführer. „Für den Fall, dass es erforderlich wäre, einen von uns persönlich anzusprechen, hat Mokaryon uns Nummern gegeben. Ich bin Wächter Eins.“
Bronwyn schüttelte den Kopf. Es widerstrebte ihr, lebende Wesen zu Nummern zu degradieren. „Ich werde dich Warren nennen“, sagte sie zu dem Wächterdämon . „Wenn dir das gefällt.“
Er verneigte sich. „Danke.“
„Es wäre mir lieb, wenn ihr euch eine menschliche Gestalt geben würdet.“ Augenblicklich verwandelten sich alle ihre Diener, Wächter und Berater in Menschen. „Und du“, wandte sie sich an den Sprecher der Schlangenwesen.
„Wir haben individuelle Namen“, sagte er. „Ich bin Nalin.“
Auch die anderen zwölf Schlangenwesen nannten ihre Namen. Bronwyn sah sich außerstande, sie zu behalten und sie dem richtigen Gesicht zuordnen zu können.
„Ich werde euch allen Namen geben“, versprach sie dem Heer der Namenlosen. „Aber zunächst einmal möchte ich meine Residenz besichtigen.“ Sie wandte sich an den Anführer der Dienergeister. „Hast du was dagegen, wenn ich dich Simon nenne?“
Er verneigte sich. „Danke. Was von der Residenz möchtest du sehen?“
„Alles.“
„Folge mir.“
Bronwyn folgte ihm. Drei Wächterdämonen mit Warren an der Spitze folgten wiederum ihr.
Schon, nachdem sie die ersten beiden Räume durchquert hatte , wusste sie, womit sie die Dienergeisterschar als Erstes beauftragen würde. Hatte Reya in ihrer Residenz in den meisten Bereichen das natürliche Tageslicht zugelassen, um die Effektivität der menschlichen Diener zu gewährleisten, die das Sonnenlicht brauchten, so hatte Mokaryon dazu keine Veranlassung gesehen, da er offenbar ausschließlich Geister und Dämonen beschäftigt hatte, die kein Tageslicht brauchten. Fast alle Räume waren fensterlos, was unter anderem daran lag, dass die Residenz in den Felsen der Calico Hills hineingebaut worden war. Zumindest in die in dieser Dimension existierende Entsprechung der Calico Hills. Alle Räume waren ausschließlich in düsteren Farben gehalten. Schwarz, Braun, dunkles Blau, dunkles Violett. Rot, das sich wie Blutspuren an den Wänden, Decken und auf dem Fußboden verteilte, war die einzige relativ helle Farbe. Und sie wirkte genau so, wie Mokaryon das höchstwahrscheinlich beabsichtigt hatte: wie vergossenes Blut.
Die Residenz war riesig. Sie zu Fuß zu besichtigen dauerte geschlagene zwei Stunden, in denen sich Bronwyn darauf beschränkte, jedes Zimmer nur zu durchqueren, statt stehenzubleiben und sie sich näher anzusehen. Bis auf die Bibliothek, die sie fünf Minuten in Augenschein nahm. Hatte sie die Bibliothek in Reyas Residenz schon für üppig gehalten, die von Mokaryon – jetzt ihre – stellte die in den Schatten. Sie war mindestens doppelt so groß.
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