Erben der Macht
sie wusste, nicht die geringsten menschlichen Gefühle gehabt hatte, konnte kaum Schamgefühl vor einem unsichtbaren Wächterdämon der Grund gewesen sein, warum er Warren weggeschickt hatte, wenn er mit Frauen intim wurde. Vorausgesetzt, er sagte die Wahrheit.
Das tut er , versicherte Devlin. Wächterdämonen können nicht lügen und sie sind nicht korrumpierbar. Außerdem sind sie absolut diskret. Darum verstehe ich auch nicht, wieso Mokaryon sie nicht um sich haben wollte, wenn er mit einer Frau geschlafen hat.
Ist nicht so wichtig. Ich wollte nur wissen, ob ich Warren und seinen Leuten wirklich trauen kann.
Immer.
„Ich verlasse mich also auf euch, Warren. Du bist weiterhin für den Schutz der Residenz zuständig und sorgst dafür, dass keine Feinde eindringen können.“
Warren verneigte sich. „Die Residenz ist absolut sicher“, versprach er.
„Dann kannst du dich vorläufig zurückziehen.“
Der Wächterdämon verschwand. Sie waren vor der Bibliothek angekommen. Bronwyn trat ein und blieb überrascht stehen, als sie sich dem gesamten Stab ihrer Berater gegenübersah, die in menschlicher Gestalt an verschiedenen Computerstationen saßen und im Internet surften oder in Büchern oder Schriftrollen lasen. Einige hockten zusammengerollt in ihrer Schlangengestalt mit aufgerichteten Köpfen und geschlossenen Augen in verschiedenen Ecken und schienen zu schlafen oder zu meditieren. Sie wurden sofort wach, kaum dass Bronwyn eingetreten war , und nahmen menschliche Gestalt an.
Ihr Wortführer Nalin kam auf sie zu. „Bronwyn, womit können wir dir raten?“
„Gibt es Aufzeichnungen, aus denen hervorgeht, was damals passiert ist, als die Ke’tarr’ha und die Py’ashk’hu in diese Welt kamen?“
„Nein. Weder hier noch anderswo auf der Welt. Es gibt nur ein paar Prophezeiungen, die sich auf die kommende Sonnenwende beziehen.“
Bronwyn fühlte sich maßlos enttäuscht. „Aber warum hat Kashyapa dann gesagt, dass wir die Antworten in der Vergangenheit finden werden und der Schlüssel dazu hier in der Residenz verborgen ist?“
„Er hat wohl Mokaryons Spiegel gemeint“, vermutete Nalin.
„Was für einen Spiegel?“
„Der magische Spiegel in seinem Arbeitsraum. Ich weiß nicht, woher er ihn bekommen hat. Er besaß ihn schon, bevor ich in seine Dienste trat. Es ist einer der seltenen Spiegel, der nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Vergangenheit zeigt.“
Bronwyn blickte Devlin an und fühlte auch in ihm eine Spannung aufsteigen, eine hoffnungsvolle Erwartung. Sie ergriff seine Hand und teleportierte mit ihm in den Flur vor dem Arbeitsraum. Gressyl folgte ihnen, ebenso Nalin. Bronwyn zögerte und wappnete sich gegen die Dinge, die sie hinter der Tür zu sehen befürchtete. Auch wenn sie keine konkrete Vorstellung hatte, erwartete sie nichts Angenehmes. Sie holte tief Luft und drückte die Tür auf, die augenblicklich nach innen schwang.
Magische Lichter strahlten an der Decke auf und tauchten den Raum in diffuses Licht. Bronwyn ließ sie mit einem magischen Impuls heller leuchten, sodass sie die Einrichtung gut erkennen konnte. Sie war nicht einmal entfernt so, wie sie es erwartet hatte, mit Ausnahme der schwarzen Wände, die aus glatt poliertem Fels bestanden. Vor allem gab es keine der befürchteten Scheußlichkeiten. Die Hälfte des Raums wurde von einer leeren Fläche dominiert , auf deren Boden ein blutroter Kreis gemalt war, umgeben von magischen Symbolen, deren Kraft sie deutlich spürte. Ansonsten gab es nur einen Tisch mit einem bequemen Stuhl, ein Regal, das in die Wand integriert war und auf dessen Ablageflächen verschiedene Steine, Behälter und Gegenstände lagen, die Bronwyn nicht identifizieren konnte. Außerdem stand ein opulenter Diwan – natürlich schwarz – gegenüber einer leeren Wand, aus der sich ein mannshohes, unregelmäßig geformtes Felsstück reliefartig abhob.
Nur eines gab es in diesem Raum nicht: einen Spiegel.
„Dort.“ Nalin deutete auf das Felsstück, das aus der Wand hervorragte.
„Das soll ein Spiegel sein?“, wunderte sich Bronwyn. Außer dass die polierte Steinfläche tatsächlich ihr Bild reflektierte, als sie sich davorstellte, ähnelte das nicht mal im Entferntesten einem Spiegel. Allerdings hatte man in früheren Zeiten, als es noch kein Glas gab, polierte Metallscheiben als Spiegel verwendet. Und davor Wasseroberflächen in Schalen. Warum nicht auch einen polierten Stein?
„Mokaryon hat, wenn er sich mit dem Spiegel beschäftigte,
Weitere Kostenlose Bücher