Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
hier hineingeraten war, und sie stolperte.
Die Angreifer im Tempel der Lilim hatten purpurrote Kleidung getragen. Es waren die Ptolemy, die so viel unschuldiges Blut vergossen hatten. Das Blut von Lilys Vorfahren. Sie befand sich mitten unter den Angehörigen der Dynastie, die die Lilim ausgemerzt hatte.
Und das bedeutete …
»Pass auf, wo du hintrittst, tollpatschige dumme Kuh! Die Königin beobachtet dich.«
Arsinöe stand auf einer erhöhten Bühne am anderen Ende des Saals. Obwohl Lily bereits so manches über das Hässliche hinter dieser Schönheit erfahren hatte, obwohl sie wusste, dass diese Frau mit einem einzigen Schlag die gesamte Dynastie der Lilim ausgelöscht hatte, war sie beim Anblick der Vampirkönigin völlig hingerissen.
Arsinöe sah atemberaubend schön aus. Sie trug ein einfaches, schulterfreies, strahlend weißes Kleid. Ihre ebenholzschwarzen Locken fielen sanft auf ihre Schultern herab. Ihre Haut war mit Gold bestäubt, ihre Augen waren mit schwarzem Kajalstrich umrandet. Ihr Mal, das allererste Mal der Ptolemy, war einzigartig, ein Ankh, das schwarz und golden glänzte, geschmückt mit gewundenen, ineinander verschlungenen Linien, die aus purem Licht zu bestehen schienen. Sie streckte Lily grüßend die Arme entgegen, wobei ihre Armbänder und Ringe im Licht der Kerzen funkelten.
»Willkommen, Seherin. Komm zu mir.«
Ihre Stimme war wie warmer Honig, besänftigend und befehlend zugleich. Einer Stimme wie dieser konnte man sich nicht widersetzen. Diese Stimme hatte Heerscharen von Vampiren befehligt, und das länger, als irgendein Mensch sich vorstellen konnte. Lily verstand auf einmal sehr gut, warum so viele, die unter ihrem Einfluss standen, niemals aufbegehren würden.
In Lilys Visionen war Arsinöe überwältigend gewesen, aber wenn man ihr gegenüberstand, war die Königin der Ptolemy eine Naturgewalt. Lily sank der Mut. Und mit dieser Frau hatte sie geglaubt, verhandeln zu können? Ihr etwas entgegensetzen zu können?
Lily sah vor ihrem geistigen Auge, wie Arsinöe den Dolch schwang, das schöne Gesicht wutverzerrt. Plötzlich fühlten sich Lilys Füße schwer wie Blei an, und das Herz klopfte dumpf in ihrer Brust.
Mutter, dachte sie und sprach so zum ersten Mal den Geist an, der ihr keine Ruhe ließ. Aber die einzige Antwort war der Hauch eines Gedankens, der sich in ihrem Kopf formte.
Befreie unser Blut.
Offensichtlich war der Anblick so vieler Ptolemy selbst für einen hitzigen Geist wie Lilith zu viel.
Entweder das oder es war an der Zeit, dass Lily selbst Stellung bezog.
Oder – was wahrscheinlicher war – dass sie die endgültige Niederlage kassierte.
Die Katzen schlichen im Schutz einer mondlosen Nacht über das Gelände. Ty und Jaden hatten Damien in die Mitte genommen, um zu verhindern, dass er sich verdrückte, sobald er gebraucht wurde. Ihr Besuch beim Anführer der Dracul hatte Ty wieder Hoffnung gemacht, dass sich ein Krieg vielleicht doch noch verhindern ließ. Vlad war genauso gewieft, wie man ihn Ty beschrieben hatte, und nicht leicht zu durchschauen. Aber er war auch deutlich vernünftiger als jedes andere Blaublut, das Ty jemals über den Weg gelaufen war, mit Ausnahme vielleicht von Anura.
Ty starrte über den Rasen hinweg auf eine Baumgruppe, durch die ein silbriger Nebel glitt. Anura hatte darauf bestanden, mitzukommen. In ihr steckte sehr viel mehr, als Tynan je geahnt hatte. Lily hatte das gespürt, aber auch sie würde vermutlich überrascht sein, wie eng die Verbindung zwischen Anura und ihr war. Deshalb war Anura auch zu den Dracul gegangen. Sie war sich vollkommen sicher gewesen, dass ein Mann, der sich so intensiv mit der Geschichte der ausgestorbenen Dynastie beschäftigte, erkennen würde, wie viel hier gerade auf dem Spiel stand.
Inzwischen verstand Ty Anuras Entscheidung und nahm sie ihr auch nicht mehr übel. Es beschämte ihn, dass er wie immer sofort von Verrat ausgegangen war. Anura würde sich als sehr wichtig für Lily erweisen, falls sie den Weg einschlug, den ihre Vorfahrin vor langer Zeit für sie vorgesehen hatte.
Es war an der Zeit, die Lilim wieder zum Leben zu erwecken, und zwar so, dass es die gesamte Blaubluthierarchie durcheinanderwirbeln würde. Dafür hatten sie auch den Rückhalt der Dracul, und der war nicht zu unterschätzen. Anura hatten sie ebenfalls. Und bald, wenn sie es geschickt anstellten, würden sie auch die Cait Sith auf ihrer Seite haben, die hier lebten.
Ein leises Knurren war die einzige Warnung, dass
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