Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
uralt, außerdem mächtig und gefährlich. Ich kann ihnen meine Hilfe nicht verweigern, aber wenn ich mit ihnen zusammenarbeite, bekomme ich vielleicht Antworten auf ein paar Fragen über mich selbst, die ich mir schon immer gestellt habe. Bitte versuch, das zu verstehen.«
»Ich verstehe gar nichts.« Bay klang, als stünde sie kurz davor, in Tränen auszubrechen. »Ich habe Angst um dich, Lily. Ich will, dass du zurückkommst.«
»Das tue ich, wenn ich kann. Und hör mal … Egal, was passiert, lass nicht zu, dass sich meine Familie meine Sachen unter den Nagel reißt. Mein Testament liegt in dem Safe im Büro. Du erbst alles.«
»Ach, Lily …«
»Nun ja, ich will natürlich alles zurück, wenn ich wieder nach Hause komme«, fuhr Lily fort, weil sie wusste, dass Bay die Tränen jetzt nicht länger würde zurückhalten können. Auch ihr schossen Tränen in die Augen, und ihr war klar, dass es an der Zeit war, das Gespräch zu beenden. Mehr ließ sich jetzt sowieso nicht klären. Alles, was sie jetzt noch sagen könnte, würde ihrer Freundin nur noch mehr wehtun, und das wollte sie unbedingt vermeiden. Sie würde versuchen, sich nur auf das Positive zu konzentrieren. Bay wusste, dass es ihr gut ging. Das war es, worauf es ankam.
»Pass gut auf dich auf, Bay. Ich liebe dich.«
Sie legte den Hörer auf, bevor Bay antworten konnte, und fuhr sich mit dem Ärmel ihrer Jacke über die Augen. Das hatte sie nicht so gut hinbekommen, wie sie sich das vorgestellt hatte. Immerhin – der Anruf war erledigt.
Nach dem Gespräch mit Bay den Hörer aufzulegen, hatte sich angefühlt, als hätte sie ihrem alten Leben Adieu gesagt, als hätte sie eine Verbindung gekappt, statt sie zu erneuern, obwohl sie doch eigentlich Letzteres gewollt hatte. Aber was geschah und was sie zu tun hatte, ließ sich nicht ändern. Sie konnte nur hoffen, dass sie heil aus dem Ganzen herauskam.
Und trotz allem, was Ty gesagt hatte, trotz der Tatsache, dass es vermutlich unmöglich war, hoffte Lily, dass sie nicht nur heil aus dem Ganzen herauskommen würde, sondern auch gemeinsam mit Tynan MacGillivray. Ihr war klar, dass sie dabei war, sich Hals über Kopf in ihn zu verlieben, und sie hatte keine Ahnung, wie sie das verhindern sollte.
Den Kopf voller unmöglicher Vorstellungen und belastet mit neuen Sorgen, betrat Lily das Café und betete, dass sie nicht gerade einen riesigen Fehler gemacht hatte.
Als er wach wurde, fiel ihm als Erstes auf, dass er allein war.
Als Nächstes wurde ihm schlagartig klar, dass er das mit Lily nie so weit hätte kommen lassen dürfen. Er war eingeschlafen, eingelullt von ihrer Wärme und ihrem köstlichen Geruch. Noch nie, weder in diesem noch in seinem vorherigen Leben, hatte er sich so völlig in einer Frau verloren. Es war, als hätte die Nacht mit Lily einen vergessenen Teil seiner Selbst zum Vorschein gebracht, dessen Fehlen ihm bisher nicht einmal aufgefallen war.
Was er da tat, grenzte an Selbstmord. Langsam setzte Ty sich in dem großen, leeren Bett auf. Lily wurde ihm auf eine Art gefährlich, die er nie für möglich gehalten hätte. Und er konnte sein Verhalten auch nicht mehr damit entschuldigen, dass ihn ihr Blut so sehr gereizt hatte. Das hätte ihr Zusammensein sicher noch intensiver gemacht, aber die Lust, die er auch so schon mit ihr empfunden hatte, war so außergewöhnlich gewesen, dass er ab einem gewissen Punkt nicht einmal mehr daran gedacht hatte, sie zu beißen.
Gefährlich. Und dennoch … er konnte an nichts anderes mehr denken, als wieder mit ihr zusammen zu sein.
Ty vergrub die Finger in seinem Haar, zog die Knie an und seufzte. Er hatte sich viel zu tief eingelassen – und vermutlich war er schon in dem Moment verloren gewesen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte.
Mit ihr zu schlafen war eine ganz schlechte Idee gewesen.
Weshalb er natürlich genau das getan hatte.
Am Rand des Raumteilers, der das Bett vor Blicken schützte, tauchte Jaden auf wie ein böser Geist. Es war, als würde ihn die negative Energie, die Ty zurzeit ausstrahlte, unwiderstehlich anziehen.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, Ty, aber wenn du so weitermachst, werden sie dich noch umbringen.«
Ty warf ihm einen bösen Blick zu. Er war ganz und gar nicht in der Stimmung, sich von irgendjemandem dumm anreden zu lassen. »Mit so was kennst du dich als Deserteur sicher bestens aus. Wenn hier einer Gefahr läuft, umgebracht zu werden, dann doch wohl du. Und was, bitte, tue ich, das
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