Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
Typ, der einfach abhaute. Er wusste das und hasste sich beinahe ein bisschen dafür, so froh darüber zu sein, aber so war es nun mal. Solange er ihr nicht wehtat, würde sie ihm nicht mehr davonlaufen. Und ihr wehzutun, kam nicht infrage … war vermutlich nie infrage gekommen.
Dafür schämte er sich ebenfalls ein wenig.
Wie auch immer – irgendetwas hatte den ganzen Abend an ihm genagt, ohne dass er hätte sagen können, was es war. Auf jeden Fall war er in äußerster Alarmbereitschaft. Es fühlte sich nicht direkt so an, als würden sie beobachtet, obwohl sie das mit ziemlicher Sicherheit wurden. Es war mehr das nicht recht fassbare Gefühl, in unmittelbarer Gefahr zu schweben, als könnte irgendetwas plötzlich vom Himmel fallen und sie treffen, ohne dass sie etwas dagegen tun könnten.
Lily war ungewöhnlich still. Er hatte eine Zeit gebraucht, bis er begriffen hatte, dass der Grund in ihrer Schüchternheit lag, weil diese im krassen Gegensatz zu der Wildheit stand, die sie nachts gezeigt hatte. Zwischen ihnen war etwas geschehen, und zwar auf einer tieferen Ebene, als ihm lieb war. Ty wusste, dass sich dadurch nichts ändern würde, nichts ändern konnte.
Also nahm er es einfach hin, dass Lily still und in sich gekehrt neben ihm herlief. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was er sonst hätte tun sollen, und solange sie schwieg, mussten ihm wenigstens keine vernünftigen Antworten einfallen.
Nichts jedoch konnte ihn vor ihrem Geruch retten, der so süß und unglaublich weiblich war und ihm den Kopf jetzt sogar noch mehr zu verdrehen schien. Ty versuchte, sich auf etwas anderes – egal was – zu konzentrieren. Zwar hatte er nicht mehr an Blut gedacht, während sie miteinander schliefen, dafür war sein Verlangen, von ihr zu trinken, jetzt im Nachhinein umso größer.
Auch in einer normalen Nacht wäre er um diese Uhrzeit hungrig gewesen.
Heute aber war er kurz vorm Verhungern.
»Bist du ganz sicher, dass sie nicht zu uns kommt?«, fragte Lily. »Schließlich ist es ihre Wohnung. Und sie klang sehr aufrichtig.« Lily schaffte es so gerade, mit seinen fast doppelt so großen Schritten mitzuhalten. Ty war froh, dass sie sich nicht beschwerte – ihnen blieb nicht viel Zeit, sie mussten so schnell wie möglich vorwärtskommen. Er verdrängte seinen Blutdurst und konzentrierte sich wieder auf die vor ihm liegende Aufgabe. Er konnte nur hoffen, dass Lily ihm nicht zu tief in die Augen sah, denn er hatte Angst vor dem, was sie dort entdecken würde.
»Aufrichtigkeit heißt nicht immer, dass ein Versprechen auch wirklich in die Tat umgesetzt wird«, erwiderte Ty. »Das Mabon wird eine Weile geschlossen bleiben, wobei ich ja schon froh bin, dass das Gebäude überhaupt gerettet werden konnte. Anura wird das Mabon renovieren und wiedereröffnen. Es gab auch früher schon Probleme, aber Anura wird mit so etwas fertig. Allerdings können wir nicht warten, bis es so weit ist. Vor allem nicht, falls sie gezwungen war unterzutauchen.«
Lily sah ihn durchdringend an, und Ty wandte den Blick ab. Ihre Sorge galt jedoch gar nicht ihm.
»Gezwungen unterzutauchen?«
»Gut möglich. Du bist sehr besorgt um sie, dabei hast du sie doch kaum kennengelernt. Wieso ist sie dir so wichtig?«
Er wusste sofort, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Wütend starrte sie ihn an.
»Oh, ich verstehe. Ich sollte mir also nur Gedanken um das machen, was Leute für mich tun können, nicht um die Leute selbst, stimmt’s?«
Ty zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Das macht das Leben einfacher.«
»Das macht das Leben trauriger. Wie würdest du mich behandeln, wenn ich nicht von Nutzen für dich wäre?«
»Gar nicht. Dann hätte ich dich nämlich gar nicht erst kennengelernt.«
Lily seufzte, und ihm war klar, dass ihr die Antwort nicht gefiel. Immerhin klang diese Antwort halbwegs logisch und würde nicht gleich weitere Fragen nach sich ziehen.
Sie wagte sich gefährlich weit auf ein Gebiet vor, das er auf keinen Fall mit ihr zusammen beschreiten wollte.
Glücklicherweise zeigte ihm ihre nächste Bemerkung, dass sie im Moment nicht zum Streiten aufgelegt war.
»Was ist sie eigentlich? Anura, meine ich. Was bedeutet ihr Mal, die Fackel und die Pfote?«
Klar, das interessierte sie. Sogar ein bisschen zu sehr, fand Ty. Er glaubte, in Anuras Augen das gleiche Interesse gesehen zu haben, so etwas wie ein Aufblitzen von Wiedererkennen, als die beiden Frauen sich verabschiedet hatten.
Es ärgerte ihn, dass Lily nichts über
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