Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
Lily spürte, wie sich ihre Muskeln anspannten. Gewalttätigkeit lag in der Luft, und die Frage war nur noch, wer als Erster angreifen würde.
»Wir haben mehr gemeinsam, als du glaubst«, sagte Ludo mit gefährlich leiser Stimme. »Aber das ist egal. Du bist eben blind. Warum bist du nicht nach Süden, an den Hof der Königin, gefahren? Wieso hast du Anura aufgesucht?«
»Warum stellst du mir Fragen, wenn du genau weißt, dass ich sie nicht beantworten werde?«, gab Ty zurück.
Wieder richtete Ludo den Blick auf Lily, und diesmal zischten Ty und Jaden ihn warnend an. Aus irgendeinem Grund, der ihr selbst nicht recht klar war, wollte Lily allerdings gern hören, was der Dracul zu sagen hatte. Hier ging es um mehr, als sie gedacht hatte.
»Um was geht es hier eigentlich?«, fragte sie Ludo. »Was weißt du?«
»Er weiß gar nichts«, knurrte Ty.
Aber Ludo wandte den Blick nicht von ihr ab. »Unser Führer, Vlad, interessiert sich außerordentlich für Geschichte und Wissen der Vampire. Wusstest du das?«, fragte er mit samtweicher Stimme.
»Offensichtlich gibt es da eine ganze Menge, was ich nicht weiß«, erwiderte Lily. »Ich bin kein Vampir.«
»Eine Seherin bist du aber auch nicht. Jedenfalls sagt Anura das.«
»Verdammt!«, fauchte Jaden ihn an. »Was habt ihr mit Anura gemacht?«
»Sie ist aus freien Stücken zu uns gekommen«, fauchte die Frau zurück. »Ihren eigenen Leuten mag sie vielleicht gleichgültig sein, aber Vlad respektiert sie. Diese Frau da soll als Waffe gegen unsere Dynastie eingesetzt werden. Anuras Entscheidung, zu uns zu kommen, war richtig. Und ihr lasst eure Beute jetzt gehen, wenn ihr nicht einen Kopf kürzer gemacht werden wollt.«
Lily sah zwischen den beiden Lagern hin und her. Es war klar, dass keins von beiden nachgeben würde. Sie wusste, Blutvergießen war unvermeidbar. Und das war schade, denn was Ludo gesagt hatte, war mehr als faszinierend. Natürlich konnte es eine Lüge sein. Andererseits war der Mann, der ihr erklären konnte, was sie war, vielleicht auch derjenige, vor dem Ty die Ptolemy zu beschützen versuchte.
Verdammt, warum war bloß alles immer so kompliziert? Eins allerdings war klar: Sie musste bei Ty bleiben. Die Dracul kannte sie nicht. Solch ein Risiko konnte sie nicht eingehen.
»Wenn dieser Vlad mit mir reden möchte«, sagte sie, »dann soll er sich gefälligst selbst auf den Weg machen und mich suchen.«
»So läuft das nicht, gadje «, erwiderte Ludo. »Und selbst wenn es so liefe, glaub mir, du würdest nicht von Vlad Dracul gejagt werden wollen.«
»Wer weiß. Wenn es ihm wirklich so wichtig wäre, wäre er jetzt jedenfalls hier. Also bleibe ich, wo ich bin.«
Ludo seufzte. »Du weißt doch, dass ich mir dich sowieso schnappe.«
»Hör auf mit ihr zu reden«, fuhr Ty dazwischen. »Kein Wort mehr. Sie bleibt bei uns. Vlad Dracul soll zur Hölle fahren.«
»Wie du willst.«
Ludo und seine Kumpane fingen an, sie zu umkreisen, und Lily sah, wie viel Vergnügen ihnen das bereitete. Ihr wurde klar, wie sehr Ludo darauf gehofft hatte, dass es zu einem Kampf kommen würde. Und er musste gewusst haben, dass Ty und Jaden sie nicht kampflos aufgeben würden. Lily drängte sich dicht an Ty. Er und Jaden standen reglos wie Statuen da, aber ihren Augen entging nichts. Von ihnen kam auch nicht das geringste Geräusch, obwohl Lily Tys Stimme plötzlich laut und deutlich in ihrem Kopf hörte.
Halte dich dicht hinter mir. Ich werde dich beschützen.
Offensichtlich kannte er einen Trick, wie sie ihn hören konnte, auch wenn das umgekehrt nicht funktionierte. Lily versuchte gar nicht erst, ihm zu antworten, dass sie selbst auf sich aufpassen konnte. Sie würde es ihm schon zeigen, allerdings war sie gerade ein einziges Nervenbündel. Konnte sie sich wirklich selbst verteidigen? Ließen sich ihre Fähigkeiten dafür einsetzen?
Wenn sie das herausfinden wollte, war dies der perfekte Zeitpunkt.
Sie hatte gerade angefangen, ihre Kräfte zu sammeln, als Ludos Hand plötzlich vorschoss und Ty die Wange aufkratzte. Ty gab keinen Laut von sich, obwohl der Kratzer tief war und blutete und sicher höllisch wehtat. Ludo kicherte.
»Die ersten Blutstropfen, Katze. Mach dich drauf gefasst, dass es noch deutlich mehr werden.«
Und schon war Lilys Kraft da, einfach so.
Bevor sie sich in die Schlacht warf, wurde ihr gerade noch bewusst, dass sie, um diese Kraft zu entwickeln, nur wütend sein musste. Das hätte sie vielleicht ein klein wenig geängstigt, wäre sie
Weitere Kostenlose Bücher