Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
endlich einen Beweis dafür, woher sie stammte, so verrückt das auch klingen mochte. Wenn Lily das hinbekam, dann gab es zwischen der Frau in Grün, die das »Haus der Mutter« angeführt hatte, und ihr eine direkte Verbindung.
Sie drückte den Rücken durch und holte tief Luft.
»Halt dich hinter mir«, befahl Ty, der zu Jaden aufschloss und dann neben ihm stehen blieb. Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu, aber er beachtete sie gar nicht. Seine ganze Konzentration galt den drei Vampiren, die auf sie zugeschlendert kamen und dann direkt vor ihnen stehen blieben. Was sie ausstrahlten, war eine Mischung aus Kompetenz und Selbstvertrauen.
Lily stellte sich neben Ty und konnte sofort spüren, wie sehr ihm das missfiel. Aber damit konnte sie sich jetzt nicht abgeben.
»Guten Abend, alle miteinander«, sagte der größere der beiden Männer. Seine Haut war olivfarben, sein lockiges Haar genauso dunkel wie seine Augen. Er sprach mit einem leichten ausländischen Akzent, den Lily allerdings nicht einordnen konnte. Auch die komplizierte Tätowierung, die offensichtlich irgendwo unter seinem T-Shirt begann und sich über seinen Hals hinaufzog, sagte ihr nichts. Ein bisschen sah sie wie eine Blume aus. Oder wie eine Fledermaus.
Jetzt fiel ihr wieder ein, was Ty über Tiergestaltwandler gesagt hatte und darüber, wer sich in was verwandeln konnte. Das hier waren Dracul. Und die Gegend war ihr Territorium.
»Können wir irgendwas für euch tun?«, fragte Ty. »Oder macht ihr nur einen Abendspaziergang?«
Lily war überrascht, wie gelassen er klang. Andererseits war es für ihn vermutlich alltäglich, dass Leute ihn umbringen wollten. Sie selbst würde wohl noch eine Zeit lang brauchen, bis sie sich daran gewöhnte.
Der Mann lächelte, und seine Begleiter kicherten. »Wir machen genauso unseren Abendspaziergang wie ihr auch. Dass es dafür mitten in der Nacht bessere Stadtteile gibt, wisst ihr ja sicher. Außer ihr hättet exotischere Pläne für die Nacht als die meisten Leute.«
Er warf Lily einen kurzen Blick zu, und sie spürte, wie er in ihren Kopf einzudringen versuchte. Wenn Ty das machte, war es einfach nur ärgerlich. Aber bei diesem Mann fühlte es sich wie ein Vergewaltigungsversuch an. Sie schauderte und wehrte das Gefühl reflexartig ab, indem sie es ihm zurückschleuderte.
Als Lily sah, wie seine Augen triumphierend aufblitzten, wusste sie sofort, dass sie genau das getan hatte, was er von ihr erwartet hatte. Offensichtlich verriet die Undurchdringlichkeit ihrer Gedanken sie jedes Mal mit tödlicher Sicherheit. Jetzt war ein Kampf unausweichlich, wobei sie annahm, dass er das von Anfang an gewesen war.
»Was willst du, Ludo?«, fragte Jaden gelangweilt. »Wirklich nett, euch zu treffen, aber ich nehme mal an, ihr habt Besseres zu tun. Bei uns jedenfalls ist das so.«
»Eigentlich tue ich gerade genau das, was mir aufgetragen wurde«, erwiderte Ludo. »Vlad hat schon vor einiger Zeit gehört, dass du in der Stadt bist, Jaden. Blöd gelaufen – er hätte dich nämlich in Ruhe gelassen, wenn du dir nicht MacGillivray hier als Verstärkung geholt hättest. Die Dracul haben kein Interesse an Ptolemy-Deserteuren. Im Gegenteil, ich hätte sogar gesagt: gute Entscheidung. Aber du hast ein schlechtes Gespür dafür, wen du als Freund wählst.«
»Anders als du natürlich«, erwiderte Jaden beiläufig.
Die Frau ließ ihre Fangzähne sehen.
»Ich fühle mich geehrt, dass ich solches Interesse hervorrufe«, sagte Ty. »Aber ich wüsste nicht, was Vlad von mir wollen könnte. Ich arbeite zwar für die Ptolemy, aber letztlich bin ich doch nur eine Katze.«
»Eine Katze, die etwas sehr Interessantes besitzt«, erwiderte Ludo und sah Lily so lange an, bis sie seinen Blick erwiderte. »Vlad interessiert sich sehr für diese Frau. Und dafür, was sie hier tut, wo man doch annehmen sollte, dass du sie auf schnellstem Weg zu Arsinöe bringst. Denn darum geht es doch, oder? Darum, eine menschliche Seherin zu finden, die die Ursache für das Leid der Ptolemy herausfinden kann?«
»Da haben wir schon ein paar ziemlich klare Vorstellungen«, knurrte Ty.
Ludos Gesicht verfinsterte sich. »Deine Vorstellungen interessieren mich nicht, zumal sie offensichtlich falsch sind. Aber klar, deine hochgelobte Arsinöe sieht das natürlich ganz anders. Wir sind eine Beleidigung für sie. Tiere. Wie du.«
»Wir haben nichts gemeinsam«, fuhr Ty ihn an.
Die beiden Männer traten aufeinander zu und machten sich kampfbereit.
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