Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
nicht völlig auf das Blut fixiert gewesen, das Tys Wange hinablief.
»Rühr ihn ja nicht an«, brüllte Lily, und schon stieg ihre Kraft wie eine Flutwelle höher und höher, bis Lily kurz vorm Explodieren stand. Es war furchterregend und berauschend, und oh Gott … sie konnte es nicht mehr aufhalten, selbst wenn sie gewollt hätte.
Als der zweite Vampir nach ihr griff, brauchte sie nur sein T-Shirt zu packen und ihm mental einen Schubs zu geben. Ein Lichtblitz, ein Schrei, und schon flog er durch die Luft und krachte ein ganzes Stück weiter die Straße hinunter auf den Asphalt. Dass sich die anderen allesamt ihr zuwandten und sie verblüfft anstarrten, nutzte Lily sofort zu ihrem Vorteil. Sie schnappte sich die Vampirin, vergrub die Fäuste in ihrem T-Shirt, hob sie hoch und ließ sie genauso durch die Luft segeln wie den ersten Vampir, der sich gerade wieder aufrappelte. Sie konnte nur noch an ihren Traum denken und daran, wie die Tempelvampire gekämpft hatten.
In ihren Ohren klangen die Schreie der Verdammten, und vor ihren Augen verschwamm alles zu einem dunklen Rot. Ihre Leute … ihre Leute …
Lily roch Feuer.
Sie sah Ludo an und wusste nur noch, dass er der Feind war. In ihrem Kopf hörte sie, wie die Frau aus ihrem Traum ihr etwas zurief, und sofort kamen ihr diese Worte über die Lippen, mit einer Stimme, die zugleich ihre eigene und nicht ihre eigene war.
»Du wirst dir nicht nehmen, was mir gehört«, schrie sie. Licht schoss aus ihren Händen, als sie sie nach Ludo ausstreckte. Aber ihn schleuderte sie nicht durch die Luft, sie ließ einfach nur die Kraft durch ihn hindurchströmen, dass sein Kopf vor und zurück wippte. Aus dem Nichts blies auf einmal ein heftiger Wind und heulte zu ihren Worten. Lily fing an, in einer Sprache zu reden, die nicht die ihre war und die ihr bewusster Teil nicht verstand.
Und dieser bewusste Teil von ihr konnte, obwohl er noch funktionierte, nur in Schweigen erstarrt zusehen.
Ich verfluche dich im Namen der Mutter.
Ich verfluche dich im Namen des ewigen Blutes.
Sie beherrschte die Welt, und in ihr öffnete sich die Nacht wie eine dunkle Blume, voller Möglichkeiten und ganz und gar ihr gehörig. Sie war ein Kind der Mutter, das Lieblingskind. Das einzige, das es noch gab.
Das Pentagramm und die Schlange brannten weißglühend auf ihrer Haut.
»Lily!«
Von irgendwoher hörte sie Ty ihren Namen brüllen, und schon flaute der Sturm ab, innerlich wie äußerlich. Schlagartig war Lily wieder sie selbst, und das war ein überwältigendes Gefühl, nachdem sie in einem dunklen, aufgewühlten Meer aus purer Kraft und Wut umhergetrieben war.
Lily blickte sich um und blinzelte erstaunt. Die Straße war leer, abgesehen von dem Müll, der überall verstreut lag, als wäre ein besonders heftiger Sturm darüber hinweggefegt. Jaden und Ty starrten sie an und sahen sogar noch blasser aus als sonst.
Noch immer hatte sie Ludos T-Shirt fest gepackt. Der Vampir hielt sich kaum noch auf den Beinen, und Lily spürte, wie er zitterte. Als er langsam in sich zusammensackte, trat Lily ohne zu überlegen noch näher an ihn heran, um ihn aufzufangen. Beschämt musste sie miterleben, wie er vor ihr zurückzuckte.
»Nein!«, heulte er. »Geh weg!«
Lily starrte ihn hilflos an, doch in dem Moment trat Jaden hinzu und nahm ihn ihr ab.
»Ich habe ihn«, sagte er und sah sie dabei misstrauisch an. Was zum Teufel war da bloß gerade mit ihr geschehen? Lily schlang die Arme um ihren Körper, aber nicht, um sich vor der Kälte zu schützen. Ty starrte sie mit Sicherheit entsetzt an, und sie wollte seinem Blick lieber gar nicht erst begegnen.
»Alles okay mit dir?«, hörte sie Jaden den Dracul fragen. Ludos Stimme klang zunächst noch schwach, wurde aber rasch wieder kräftiger. Das zumindest machte ihr schon mal Mut.
»Alles okay«, knurrte Ludo und schüttelte Jadens Hand ab. Er sah Lily so böse an, dass seine dunklen Augen Feuer spuckten. »Du hast recht. Vlad Dracul kann dich selbst suchen. Ich will nichts mehr damit zu tun haben.« Dann richtete er den Blick auf Ty, der direkt hinter ihr stand. »Bring sie zu den Ptolemy. Ich hoffe, sie ermordet jeden Einzelnen von dieser verdammten Bande!«
Und dann war er weg. Ein kleines Flügelwesen stieg gen Himmel und verschwand. Lily starrte ihm schweren Herzens hinterher. Selbst unter diesen Launen der Natur betrachtete man sie noch als Missgeburt. Und hier, unter ihnen, schien sie ihre Kräfte auch kaum kontrollieren zu können. Sie
Weitere Kostenlose Bücher