Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
von mir geführt. Ebenfalls ein Cait Sith.« Ty wandte den Blick ab. »Ich dachte, er wüsste vielleicht, wohin Anura gegangen ist, aber die Antwort auf diese Frage kennen wir ja inzwischen.«
Lily nickte. »Wieso sollte sie zu den Dracul übergelaufen sein? Ich verstehe noch immer nicht, warum sie diesem Vlad Dracul von mir erzählt haben sollte. Sie schien so …« Lily vollendete den Satz nicht, obwohl ihr eine Reihe von Wörtern einfielen. Warmherzig und weise waren zwei davon. Beschreibungen, die in krassem Gegensatz zu dem standen, was sie getan hatte.
Ty schien das deutlich weniger zu überraschen als sie. »Sie vertritt einfach ihre Interessen. Vlad Dracul ist ein mächtiger Vampir, wenn auch nicht der beliebteste. Die Empusae leben zwar hier, aber im Grunde ist es Vlads Dynastie, die ihre duldet, und nicht umgekehrt. Sie hat das Gefühl, dass es Krieg geben wird, Lily, und vermutlich hat sie recht damit. Anura verstärkt einfach gerade ihre Schutzmauern. Es gefällt mir nicht, aber es ist nicht gegen uns gerichtet. Selbst wenn sie sich auf die falsche Seite geschlagen hat.«
»Und du bist auf der richtigen Seite?«
Ty seufzte. »Auf der Seite, die gewinnen wird. Damit ist es für mich auch die richtige Seite. Aussitzen kann ich das Ganze nicht, also schlage ich mich lieber auf die Seite der Ptolemy.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist im Moment aber auch unwichtig. Wichtig ist, dass wir ganz schön in der Patsche sitzen.« Er sah sie aufmerksam an, zögerte kurz, dann strich er ihr eine Locke aus der Stirn, und das mit einer Zärtlichkeit, die sie völlig verblüffte.
»Geht es dir wirklich wieder gut?«
»So gut wie eben möglich. Ich bin mir nicht ganz sicher, was da passiert ist.«
Ty kniff die Augen zusammen. »Bevor du ohnmächtig geworden bist, hast du noch etwas vom Haus der Mutter gesagt. Weißt du, was das ist?«
Lily schüttelte den Kopf und schob die Erinnerungen an Feuer und Rauch und Schreie beiseite. Diese Erinnerungen waren dort in der Straße völlig unerwartet über sie hergefallen und hatten sie überwältigt. »Keine Ahnung. Aber ich glaube, die Frau, die ich in meinen Träumen sehe, in meinen … na ja, man könnte das vermutlich Visionen nennen, ist wahrscheinlich dessen Anführerin. Sie hat rotes Haar, im gleichen Farbton wie ich. Und immer trägt sie dieses eine Schulter freilassende grüne Kleid, das irgendwie griechisch oder römisch aussieht. Immer steht sie in einem Tempel, in dem sich gerade ein übler Kampf abspielt. Es wirkt wie ein Überfall, und die Gegner tragen rot.« Lily schloss die Augen, und sofort sah sie alles wieder deutlich vor sich. »Es ist ein Blutbad, zumindest am Anfang. Die Angreifer sind so unglaublich schnell.«
»Wie der Blitz«, murmelte Ty, aber sie hörte ihn kaum.
»Aber dann wendet sich das Blatt. Noch nie habe ich Menschen so kämpfen sehen. Sie setzen Dinge durch bloße Berührung in Bewegung. Und mit Lichtblitzen. Es ist ein einziges Chaos.« Lily hatte das Gefühl, sich wieder mitten in der Kampfszene zu befinden, in der sie schon so oft gestanden hatte. »Jedes Mal glaube ich, sie könnte es schaffen, könnte die Angreifer besiegen. Aber jedes Mal stirbt sie.«
»Sie stirbt?« Tys Stimme klang beruhigend, schien aber von weit her zu kommen. Wieder roch Lily den Rauch, und die Stimmen der Verdammten hallten in ihren Ohren wider. Obwohl sie sich dagegen wehrte, spürte sie, wie sie tiefer hineinglitt, hinein in den dunklen Ort, wo jemand auf der Lauer lag, jemand, der sich bereits einmal ihres Körpers und ihrer Stimme bemächtigt hatte. Jemand mit unglaublichen Kräften. Ihr Mal kribbelte bedrohlich.
»Eine Frau taucht auf, schön und dunkel. Sie hat ein Messer.« Lily kämpfte sich aus der Dunkelheit zurück, die sie immer tiefer einzusaugen schien. Sie öffnete die Augen, um die Vision zu verbannen, die schon wieder von ihr Besitz ergreifen wollte. »Sie taucht auf einmal wie aus dem Nichts hinter der Frau in Grün auf und beschimpft sie ganz fürchterlich. Und nach … du weißt schon … will sie wissen, wo das Baby ist. Das ist immer das Letzte, was ich höre, wie diese dunkelhaarige Frau wissen will, wo das Baby ist.«
Ty beobachtete sie genauestens, aber seinem Gesichtsausdruck war nichts zu entnehmen. Eigentlich wollte sie ihm das alles gar nicht erzählen, weil sie Angst hatte, er würde sie genauso für verrückt halten wie früher ihre Familie. Aber sie wusste, dass ihr keine Wahl bleib. Diesmal war es wichtig.
»Lily«,
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