Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
stöhnte Lily und presste sich unruhig gegen ihn, ohne dass sie so recht wusste, um was sie eigentlich bat. Dann strich er ihr das Haar über die Schultern zurück und legte ihren Kopf auf die Seite, um besser an ihren Hals heranzukommen. Er zog den Kragen ihrer Bluse hinunter, bis ihr Schlüsselbein der kalten Nachtluft ausgesetzt war. Lily ließ alles mit sich geschehen. Sie wollte nur wieder seine Lippen auf ihrer Haut spüren und ihm alles geben, was er sich wünschte. Die Welt hatte aufgehört zu existieren, es gab nur noch Tynan. Sein Griff war jetzt fester geworden, und dabei zitterten seine Hände, als wären seine Bedürfnisse noch drängender als ihre.
Plötzlich hielt er inne, versteifte sich und atmete einmal heftig aus. Völlig versunken in ihrer sexuellen Gier grub Lily die Hände in Tynans dicken Wollmantel und stöhnte gequält auf. Wieso hörte er einfach auf? Sie brauchte … sie brauchte unbedingt …
Alles, was sie zu hören bekam, war ein Fluch in einer ihr unbekannten Sprache.
Dann ein plötzlicher kühler Luftzug. Langsam öffnete Lily die Augen. Erst ganz allmählich wurde ihr klar, wo sie war und was sie getan hatte. Ihre geballten Hände umschlossen nichts als kalte Luft. Lily blinzelte ein paarmal, dann stolperte sie einen Schritt zurück. Ein erdrückendes, wenn auch unsinniges Verlustgefühl überkam sie. Sie drehte sich suchend einmal um sich selbst, irgendwo musste er doch sein. Er konnte nicht einfach fort sein. Niemand konnte sich einfach in Luft auflösen.
Aber wer immer – oder was immer – Tynan MacGillivray auch war, Lily musste sich schon bald die Wahrheit eingestehen.
Er war fort.
2
Ty duckte sich leise auf einen Ast und beobachtete, ohne auch nur einmal mit den silbernen Augen zu blinzeln, wie Lily Quinn zu ihrem Auto ging. Sie wirkte noch immer wie betäubt, auch wenn sie, bis sie bei ihrem Wagen ankam, wieder zu einem sicheren und schnellen Gang gefunden hatte. Furchtsam warf sie noch einmal einen Blick über die Schulter, bevor sie einstieg und davonfuhr.
Was er sich einbildete gesehen zu haben, konnte einfach nicht stimmen, das wusste Ty. Das Licht musste ihm einen Streich gespielt haben, zusammen mit seinem von Blutlust vernebelten Hirn. Vermutlich handelte es sich um ein Muttermal, vielleicht auch um eine Tätowierung, eine böse kleine Überraschung, verborgen hinter dem schicken Outfit. Ein Sterblicher konnte kein Vampirmal haben, und Lily war eindeutig eine Sterbliche. Aber genauso sicher war auch, dass sie … mehr als das war.
Meine Güte, hatte er jemals derart heftig auf den Blutgeruch einer Frau reagiert?
Die Erinnerung daran, wie sie sich an ihn gepresst hatte, wie sich ihre Haut unter seinen Händen angefühlt hatte, war so überwältigend, dass er ihr beinahe hinterhergelaufen wäre, um zu Ende zu bringen, was sie begonnen hatten. Stattdessen krallte er die Klauen in den Ast und versuchte verzweifelt, seine Selbstbeherrschung wiederzufinden. Das Fell auf seinem Rücken hatte sich aufgestellt, Ausdruck des uralten Kampfs, der sich in ihm abspielte. Er brauchte Nahrung, und zwar bald – auch wenn das bedeutete, dass er schon wieder ein gesichts- und namenloses Opfer anzapfen musste.
Mal wieder typisch für ihn, dass er eine Frau begehrte, die er niemals würde schmecken dürfen.
Grimmig knurrend sprang Ty vom Baum. Noch bevor er auf dem Boden ankam, hatte er sich bereits wieder in einen Mann verwandelt. Rasch machte er sich auf den Weg ins Stadtzentrum. Eigentlich sollte er dankbar sein, dass ihn irgendetwas davon abgehalten hatte, die Zähne in Lily Quinns Hals zu versenken. Hätte er das getan, hätte er seine vermutlich einzige Chance vergeben, seine Mission doch noch erfolgreich zu Ende zu bringen.
Dass er die Gedanken dieser Frau nicht mal ansatzweise lesen konnte, hätte ihm schon auffallen müssen, bevor er ihr so nahe kam, dass er nur noch an ihren Hals denken konnte. Ein Gehirn, in das man nicht eindringen konnte, war ein untrügliches Zeichen für einen Seher. Lilys außerordentliche Schönheit war nur eine Zugabe, und eher eine ungute. Hätte er sie gebissen, hätte sie all die Fähigkeiten verloren, die er so dringend suchte.
Er musste sich unbedingt wieder auf das Wesentliche konzentrieren.
Mit übernatürlich schnellem Schritt eilte Ty weiter. Ohne stehen zu bleiben, zog er das Handy heraus und rief die einzige Frau an, der er sich wirklich verpflichtet fühlte. Die Gnade seiner Königin hatte ihn weit über das hinausgehoben, was
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