Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
Dynastie weiter festigen, und warten auf den richtigen Moment, um sie endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Wenn es so weit ist, werden die anderen sich schon auf unsere Seite stellen.«
»Das hoffe ich. Im Moment will ich vor allem eins: der armen Lyra helfen. Sie hat alles verloren.« Lily wusste nur zu gut, wie es sich anfühlte, wenn man ganz allein war. Bei ihr war die Trennung nicht ganz so grausam abgelaufen wie bei Lyra. Ihre beste menschliche Freundin hatte sie nicht im Stich gelassen, auch wenn Beth sich noch nicht so ganz daran gewöhnt hatte, dauernd einen Haufen Vampire um sich zu haben. Außerdem hatte sie Ty, eins der größten Geschenke ihres Lebens, größer noch als das Geschenk, das sie aufgrund ihres Bluts erhalten hatte.
»Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Ty. »Jaden wäre gern mehr für sie, das ist offensichtlich.«
»Es ist gut, dass ihm endlich jemand was bedeutet.« Lily hatte gesehen, wie Jaden Lyra angeschaut hatte. »Aber ein Vampir und eine Werwölfin … das klingt nach einer Menge Schwierigkeiten. Und das auch ohne ihre ganz besonderen Probleme, die vermutlich nicht gerade klein sind.«
Ty kicherte. »Es hätte mich gewundert, wenn Jaden sich eine Frau gesucht hätte, die keine Probleme mitbringt. Jaden macht es sich nie leicht.«
»Ja. Da dürftest du recht haben.« Was Ty daran komisch fand, konnte sie allerdings nicht nachvollziehen. Sie liebte Jaden wie einen Bruder. Und sie wusste aus eigener Erfahrung, dass sich selbst für unlösbare Probleme manchmal doch eine Lösung fand. Aber das hier … sie war sich nicht sicher.
»Jaden wird schon bald wieder runterkommen«, sagte Ty. »Es gibt eine Menge zu besprechen.«
Lily nickte. »Wir setzen uns in die Küche. Da fühlt er sich immer am wohlsten.« Sie drückte Ty liebevoll die Hand, dann gingen die beiden in den hinteren Teil des Hauses.
22
Die Tage nach ihrer Vertreibung aus dem Rudel der Thorn waren ein einziger Nebel.
Lyra schlief, war wach, aß wenig und rührte sich kaum. Ihr Rudel und ihr Vater hatten sie zu einem Leben als Geisterwölfin verurteilt, und genau so fühlte sie sich auch. Sie hatte an nichts Interesse. Sie wollte nicht sterben, aber wie sie weiterleben sollte, wusste sie auch nicht, und sie schien auch nicht über genügend Energie zu verfügen, um über eine Lösung nachzudenken.
Jaden wachte aufmerksam über sie, und von Tag zu Tag gruben sich die Sorgenfalten tiefer in sein übernatürlich schönes Gesicht. Am Anfang fand sie das gleichermaßen frustrierend wie auch beruhigend. Sie sah nicht nur, dass er sich Sorgen machte, sie spürte es auch, es durchdrang den tröstlichen Kokon aus Dumpfheit, in den sie sich eingesponnen hatte. Was wollte er von ihr? Sah er denn nicht, dass sie Freiraum
brauchte
, auch wenn sie nicht wusste, ob sie diesen wirklich
wollte
? Und dennoch war er immer da, gab ihr Sicherheit und übte sich schweigend in Geduld. Er brachte ihr Essen und bestand darauf, dass sie wenigstens ein bisschen zu sich nahm. Er versuchte sie zu überreden aufzustehen, ein Bad zu nehmen, sich wieder dem Leben zuzuwenden.
Dazu war sie nicht bereit gewesen. Dennoch hatte er nicht aufgegeben.
Sie sah die Sonne auf- und untergehen, wanderte, wenn sie schien, wie ein Gespenst durch das Haus und verkroch sich nachts in Jadens Zimmer wie ein Tier in einer Höhle. Sie wollte niemanden sehen. Sie wollte nicht gefragt werden, wie es weitergehen sollte.
Und da sie ihr ganzes Leben lang immer nur ein einziges Ziel vor Augen gehabt hatte, fürchtete sie sich vor Fragen nach ihrer Zukunft ganz besonders.
Dennoch war ihr bewusst, dass sie sich nicht für den Rest ihres Lebens verkriechen konnte. Und schließlich, nachdem sie sich sechs Tage lang in ihrem Elend gesuhlt hatte, tauchte sie wieder daraus auf.
Als sie aufwachte, wusste sie nicht, wie spät es war. Das Zimmer war so verdunkelt, dass keine Rückschlüsse auf die Tageszeit möglich waren. Lyra blinzelte und wischte sich vorsichtig den Schlaf aus den Augen. Irgendetwas war anders.
Sie konnte wieder fühlen.
Lyra holte tief Luft, als wäre sie gerade aus einem langen, unangenehmen Traum erwacht. Sie fühlte sich … schmutzig. Und ausgelaugt. Aber so komisch das klang – es war eine Verbesserung. Sie setzte sich auf und schob die Decken von sich, in denen sie sich die letzten Nächte vergraben hatte. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie die spartanische Einrichtung erkennen, an die sie inzwischen
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