Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
war nicht zu überhören.
Klasse, noch mehr Zuwendung, dachte Lyra. Ihre Augen wurden verdächtig feucht. Bestimmt eine Folge ihrer Müdigkeit. Mühsam rang sie sich ein Lächeln ab, als sie in die wunderschöne, hohe Eingangshalle mit der breiten Treppe trat. Lily ging auf die Treppe zu.
»Wir haben dir oben ein Zimmer hergerichtet«, sagte sie, aber Jaden, dessen Stimme von der anstrengenden Fahrt ganz rau war, widersprach.
»Ich habe dir doch schon gesagt, sie bleibt bei mir. Ich bringe sie rauf in mein Zimmer.«
Lily wandte sich zu ihm um und kniff die Augen zusammen. Sie ließ sich ihre Verärgerung nicht anmerken, aber Lyra konnte sie trotzdem spüren.
»Und ich habe dir gesagt, dass Lyra das selbst entscheiden kann. Sie bekommt ein eigenes Zimmer. Wenn sie später lieber bei dir bleibt, ist das ihre Sache. Sie ist eine erwachsene Frau, Jaden.«
Es war interessant mitzuerleben, dass wegen ihr gestritten wurde, aber eigentlich wollte Lyra nur eins: ins Bett. Offensichtlich sah man ihr das an, denn als sie sprach, kam keine Widerrede.
»Ich weiß das zu schätzen, Lily, aber am liebsten würde ich mir mit Jaden ein Zimmer teilen. Ich brauche dringend ein bisschen Schlaf.« Dass Jaden sich seine Begeisterung so deutlich anmerken ließ, war ihr schon ein wenig peinlich.
Auch wenn sie das nur schwer zugeben konnte – sie brauchte Jaden dringend in ihrer Nähe, denn sie hatte Angst, zusammenzubrechen und nicht wieder aufzustehen. Und wenn sie zusammenklappte, dann lieber vor ihm als vor Lily und allen möglichen anderen, die hier wohnten.
Mitfühlend sah Lily zwischen Jaden und Lyra hin und her. Sie nickte. »Okay, das verstehe ich vollkommen. Jaden kann dich in euer Zimmer bringen. Natürlich wüsste ich gern, was passiert ist, und ich wüsste auch gern, wie wir dich unterstützen können, aber das hat Zeit, bis du wieder fit bist.«
Lyra nickte dankbar. Jaden hatte Lily und Ty richtig eingeschätzt – sie würden keinen Druck machen. Zumindest nicht heute Nacht.
»Ich glaube, ich gehe lieber gleich ins Bett«, sagte sie leise. »Ich will nicht unhöflich sein, aber ich habe kaum geschlafen. Aber weckt mich auf, falls irgendjemand nach mir fragen sollte.«
Sie wusste, wie erbärmlich das klang, doch sie konnte die Hoffnung einfach nicht aufgeben, dass ihr Vater es sich anders überlegen und das Rudel umstimmen könnte. Dass sie irgendwie zurück nach Hause könnte.
»Das machen wir«, versicherte Lily ihr. Die Gelassenheit und die Kraft, die Lily ausstrahlte, trösteten Lyra ein wenig. Sie waren wie ein Leuchtfeuer in dem verheerenden Sturm, in den sich ihr Leben verwandelt hatte.
»Ich zeige dir unser Zimmer«, sagte Jaden und legte den Arm um ihre Taille. Lyra ließ es geschehen, vor allem, weil ihre Beine wie Pudding waren und sie nicht gern auf der Treppe zusammenbrechen wollte. Sie wollte sich nicht auf ihn stützen, aber es fiel ihr schwer, diesem Bedürfnis nicht nachzugeben.
Jadens Zimmer war im zweiten Stock, weit ab von den neugierigen Blicken der Lilim und der Cait Sith. Lily sah den beiden hinterher, und sobald sie auf dem Treppenabsatz verschwunden waren, schlang Ty die Arme um seine Frau. Sie lehnte sich an ihn und genoss die Kraft, die er ausstrahlte. Er legte das Kinn auf ihren Kopf.
»Du hast ein gutes Herz, Lily.«
Sie lachte, aber es war kein freudiges Lachen. »Ach ja. Ich bezweifle, dass ich jemals begreifen werde, wie eure Welt funktioniert, Ty.«
»Unsere Welt«, verbesserte Ty sie liebevoll. »Und die Wölfe haben in gewisser Weise noch starrere Prinzipen als wir. An einigem sind die Vampire schuld. Aber manches ist einfach so, wie es eben ist. Wir verändern uns. Vielleicht werden sie sich auch verändern.«
»Wenn es stimmt, was Damien sagt, kommen ganz schön unangenehme Veränderungen auf sie zu.« Lily schüttelte den Kopf. »Die Ptolemy sind wie ein vampirisches Abwrackunternehmen. Sie zerstören alles, was sie in die Finger bekommen.«
»Uns haben sie nicht zerstört. Ihre Zeit wird kommen, Lily. Sie werden sich einmal zu oft einmischen, und dann ist Arsinöe fällig. Wart’s ab.«
»Ich hoffe es. Letztes Mal war sie nicht lange am Boden. Und wenn sie erst ein ganzes Wolfsrudel in der Hand hat, kann sie eine Menge Unruhe stiften. Dass der Rat Angst vor ihr hat, macht die Sache auch nicht besser.«
Ty rieb mit dem Kinn über ihren Kopf. »Sie ist sehr alt, sehr klug und sehr mächtig. Aber sie hat Angst vor dir, meine Schöne. Also sehen wir zu, dass wir unsere
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