Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
Bruder«, sagte Jaden aus tiefstem Herzen. »Das habe ich gebraucht.«
»Das kannst du jederzeit wieder haben oder einen Tritt in den Hintern, was manchmal zum gleichen Ergebnis führt.« Ty lächelte. »Ihrem Vater geht es ziemlich schlecht. Sie wird dich brauchen, glaub mir.«
Ihn brauchen. Hatte sie so etwas nicht auch gesagt?
Jaden verließ den Salon und ging auf die Treppe zu. Er war jetzt deutlich ruhiger und bereit – so gut wie bereit –, Lyras Entscheidung zu akzeptieren, wie auch immer sie ausfallen sollte. Und dann würde er alles in seiner Macht Stehende tun, um sie so gut wie möglich zu unterstützen … solange sie nur an seiner Seite blieb.
Als die Sonne aufging, saß Lyra noch immer an Doriens Bett.
Sie hatte den Kopf neben seinem Arm auf die Bettdecke gelegt, als könne sie so das Gift zwingen, seinen Körper zu verlassen. Jaden, der inzwischen deutlich ruhiger wirkte, hatte vor einiger Zeit kurz den Kopf hereingestreckt. Sie durfte nicht vergessen, sich bei Ty zu bedanken, denn Jadens Gelassenheit war bestimmt Tys gutem Zureden geschuldet. Jaden war an sich ein ruhiger Typ, aber stille Wasser waren tief, und das traf auch auf ihn zu.
Er hatte sie gewarnt, dass Dorien vermutlich nie wieder wie früher aussehen würde, wenn er überlebte. Es würde viele bleibende Narben geben. Doch das war Lyra egal … Dorien war ihr Vater, und trotz allem, was passiert war, empfand sie noch immer diese schrecklich tief in ihr verwurzelte Liebe, wenn sie seine blasse, zerbrechliche Gestalt so reglos im Bett liegen sah.
Jaden hatte außerdem gesagt, dass er in ihrem Zimmer auf sie warten und dass er mit jeder ihrer Entscheidungen einverstanden sein würde, solange er ihr nur beistehen dürfe. Lächelnd dachte Lyra, dass sie es auch gar nicht anders haben wollte. Was für ein Geschenk, einen Mann zu haben, der nicht pausenlos glaubte, sich schützend vor sie stellen zu müssen …
»Lyra.«
Simons Stimme holte sie aus ihren Gedanken zurück. Sie hob den Kopf. Er stand in der Tür und sah sie mit einem äußerst seltsamen Gesichtsausdruck an. Was er da zur Schau stellte, war ein unglaublich intensives Gefühl, das vielleicht hätte Liebe sein können … und doch fast schon Hass war.
Lyra lief es eiskalt den Rücken hinunter, obwohl sie sich sofort ermahnte, dass das doch Simon war, ihr bester Freund.
»Wolltest du mich ein bisschen ablösen?«, fragte sie. Sie stand auf, stemmte die Hände in den Rücken und streckte sich. »Ich würde gern bleiben, aber es tut sich einfach nichts. Er rührt sich nicht. Und ich bin völlig am Ende.«
»Du kannst nicht bleiben«, erwiderte Simon und starrte sie weiter reglos an. »Wir müssen los.«
»Wieso? Wo müssen wir denn hin?« Sie spürte, wie ein erster Anflug von Angst in ihr aufkeimte.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Es war, als hätte jemand ihren Freund aus Kindertagen entführt und jemand anderen in seinen Körper gesteckt. Jemand Bösartigen.
»Nach Hause, wohin sonst? Arsinöe und ich haben einen Vertrag geschlossen. Wir hatten bereits ausgemacht, dass sie das Rudel und alles, was es besitzt, zu ihren Zwecken einsetzen kann, wenn sie mir hilft, Alphatier zu werden. Aber als sie gehört hat, dass Jaden in der Stadt ist, hat sie das Angebot noch mal verbessert: Ich bringe ihr Jaden, dafür kriege ich dich.«
»Mich«, murmelte Lyra, die verzweifelt zu begreifen versuchte, was er da von sich gab. »Aber du willst mich doch gar nicht.«
»Du bist diejenige, die mich nie wollte.« Simons Stimme klang seltsam tonlos. »Was hätte ich tun sollen? Dich anbetteln? Du warst es, die ich wollte. Und dann wollte ich nichts wie weg mit dir aus diesem Kaff. Weißt du noch, damals, als wir sechzehn waren und immer davon geredet haben, nach Europa zu fahren, die alte Heimat unserer Vorfahren anzuschauen, dem überlieferten Wissen nachzuspüren …«
»Wir waren doch bloß Kinder«, unterbrach Lyra ihn. »Das war ein schöner Traum, Simon. Natürlich könnten wir immer noch fahren. Es kam einfach immer was dazwischen.«
»Bei dir kam immer was dazwischen. Erst das College, dann hast du die Werwolf-Eisprinzessin gegeben, und jetzt dieser Katzenvampir. Du hast Glück, dass ich bereit bin, dein Halbmal zu übersehen.«
Er musste ihre Überraschung bemerkt haben, denn er grinste. »Du und dein Cousin seid nicht die Einzigen, die Zugang zu den alten Geschichtsbüchern haben. Mit dem Mal kann ich leben. Auch damit, dass du mit ihm gevögelt hast. Aber glaub mir, ich
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