Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
jagen noch mir die Glieder ausreißen oder mich fressen dürfen.«
»
Helfen?
Mir? Soll das ein Witz sein?«, fragte Lyra ungläubig. Dass er ihr den Talisman der Familie zurückgebracht hatte, war eine angenehme Überraschung gewesen und hatte sie glauben lassen, er habe vielleicht wirklich ein paar gute Eigenschaften … zumindest für einen Vamp. Sie hatte sich sogar ein bisschen um ihn gesorgt, als sie ihn mit ihrem Vater allein gelassen hatte, so blöd das auch war. Es ging sie schließlich nichts an, was mit ihm passierte. Sie verkehrten nicht in denselben Kreisen, und da es bis zur Prüfung nicht mehr lange hin war, würde sie ihm wohl kaum noch mal über den Weg laufen.
Mit der Rückgabe der Kette hätte eigentlich alles erledigt sein sollen. Er hätte längst wieder fort sein müssen.
Und dennoch war er noch immer hier, hing in ihrer Küche herum, als gehöre er dorthin, und verursachte ihr Schmetterlinge im Bauch. Wieso musste ein derart nerviges Wesen bloß so verdammt gut aussehen? Und dann dieses viel zu unschuldige Gesicht! Er hatte ihr gleich im ersten Moment den Kopf verdreht, und darüber war sie auch jetzt offensichtlich noch nicht hinweg.
Sie erinnerte sich daran, wie er ihr leise ins Ohr geflüstert hatte, daran, wie seidenweich sich seine Haare angefühlt hatten, als sie es mit der Wange gestreift hatte …
»Dein Vater«, sagte Jaden gelassen und holte sie damit in die Gegenwart zurück, »hat mir einen Job angeboten. Und da ich gerade nichts Besseres zu tun und außerdem offensichtlich eine masochistische Ader habe, habe ich angenommen.«
»So ein Quatsch.«
Jadens Gelassenheit wich Wut, und darüber war Lyra froh. Es war viel einfacher, wenn sie wusste, was in Jaden vorging. Er machte einen ehrlichen Eindruck … aber sie wusste aus Erfahrung, dass Vampire Meister im Manipulieren waren. Dennoch war es ihr seltsam vorgekommen, als sie vorhin aus dem Fenster geschaut hatte und feststellen musste, dass sich Jaden und ihr Vater nicht wie erwartet zu streiten schienen, sondern sich offensichtlich ganz friedlich unterhielten.
Aber kein Alphatier würde jemals einen Vampir zu sich ins Haus einladen … oder ihn um Hilfe bitten, wo das doch allem widersprach, wofür das Rudel stand …
Es sei denn, dieses Alphatier wäre völlig verzweifelt. Es sei denn, es hätte eine Tochter, die es schließlich in den Wahnsinn getrieben hatte.
Sie riss die Augen auf.
»Lyra, ich habe deinen Vater nicht umgebracht. Er steckt nicht in irgendeinem der Schränke. Ich sitze hier nicht rum und warte auf einen günstigen Moment, um wie Hannibal Lecter über dich herzufallen. Könntest du dich nicht einfach hinsetzen? Wenn hier einer nervös sein sollte, dann doch wohl ich. Die ganze Stadt riecht wie eine Hundehütte.«
Aus dem gepeinigten Ton, in dem er das sagte, schloss sie, dass er sie nicht belogen haben konnte. Ihr Vater hatte ihn ins Haus geholt. Einen Moment lang wusste Lyra nicht, ob sie lachen oder laut schreiend davonlaufen sollte. Wenn es ein anderer Vamp gewesen wäre, hätte es sie vielleicht fasziniert, dass Dorien über den Tellerrand althergebrachter und beengender Rudeltraditionen hinauszusehen bereit war. Aber musste es ausgerechnet der Vampir sein, dem sie am liebsten die Zähne in den Hintern geschlagen hätte?
Jaden zog eine seiner dunklen Augenbrauen nach oben. »Jetzt hast du aber Angst vor mir, nicht wahr?«
Lyra beschloss, wenigstens dafür dankbar zu sein, dass sich ihre Schwärmerei sofort in Luft auflöste, sobald Jaden den Mund aufmachte.
»Das hättest du wohl gern!« Sie schlenderte gemächlich in die Küche, öffnete die Tür zur Vorratskammer und griff nach den Cheetos. Jaden beobachtete sie mit ausdruckslosem Gesicht und wartete darauf, dass sie sich setzte. Sie aber ging erst mal zum Kühlschrank und holte eine Limonade heraus.
»Ich glaube, Dorien hat einen Zettel für dich an den Kühlschrank geklebt«, sagte Jaden. »Falls dich das interessiert.«
Neugierig schaute Lyra auf das neue gelbe Post-it, das an der Kühlschranktür hing. Mit Filzstift stand darauf geschrieben:
Friss mir nicht die Katze. Bin bald wieder da.
Dad
Lyra wandte den Kopf und starrte Jaden an.
»Dir ist schon klar, dass du dir eine Menge Überzeugungsarbeit erspart hättest, wenn du mir den Zettel gleich gezeigt hättest?«
Er zuckte mit den Schultern. »So war es interessanter.«
Lyra schnaubte und ging zum Tisch. Jetzt, wo ihre letzten Zweifel beseitigt waren, fühlte sie sich gleich
Weitere Kostenlose Bücher