Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
Vampirversion von Mister Miyagi aus
Karate Kid
spielen sollst?«
»Er hat mir erklärt, dass er dich nicht selbst unterrichten kann«, erwiderte Jaden tonlos, doch seine blauen Augen funkelten.
»Nicht will trifft es wohl eher«, erwiderte Lyra wie aus der Pistole geschossen. »Weder er noch sonst jemand. Hat er dir auch erklärt, wieso er mich nicht unterrichten kann?«
»Er meinte, es würde dir nichts bringen«, entgegnete Jaden. »Er glaubt, wenn du versuchst, genauso zu kämpfen wie die anderen, bist du ziemlich schnell weg vom Fenster.«
Lyra verdrehte die Augen. »Das kann er doch gar nicht wissen, schließlich hat er mir nie die Chance gegeben, mich zu beweisen.« Sie trank einen weiteren Schluck von ihrer Limonade. Ihr war durchaus bewusst, dass sie über so etwas mit Jaden eigentlich nicht reden sollte. Das ging nur die Wölfe etwas an – wenn überhaupt –, aber nicht ihn. Nur dass sie außer Simon quasi niemanden hatte, bei dem sie sich ausheulen konnte … und Simon, so nett er war, war bei diesem Thema einfach nicht neutral. Und helfen wollte er ihr auch nicht.
Also musste jetzt Jaden, immerhin ein halbwegs neutraler Beobachter, herhalten.
»Wusstest du, dass es in der gesamten Geschichte der Werwölfe gerade mal drei weibliche Alphatiere gab? Drei! Das ist doch erbärmlich! Und die Umstände damals waren schon sehr außergewöhnlich. Seit dem Wahlrecht für Frauen und der Frauenbewegung sind Jahre vergangen, aber hier geht es immer noch danach, wer die kräftigsten Muskeln hat.« Sie hörte selbst, wie keifend ihre Stimme klang, aber sie konnte nichts dagegen tun. Das alles hatte sich schon zu lange in ihr aufgestaut. Und seltsamerweise schien Jaden ihr sogar zuzuhören.
»Wenn ich in eine andere Familie im Rudel hineingeboren wäre, hätte ich wenigstens mein eigenes Leben leben können. Weggehen, wenn mir danach gewesen wäre, heiraten, wen ich will, eine Arbeit finden, ein Haus bauen, eben ein eigenes Leben. Aber nein. Ich bin Dorien Blacks Tochter, also wohne ich mit dreiundzwanzig noch bei Daddy und habe keinen Job, weil mir niemand einen geben will, bevor ich nicht einen Mann gefunden habe und nicht dauernd alle möglichen Streuner meinetwegen in den Ort kommen. Man verwehrt mir, was eigentlich mein Geburtsrecht ist, nur weil ich nicht das nötige Gehänge habe. Da möge Gott vor sein, dass sie ein niedriges Weibchen zur Kämpferin ausbilden! Ich könnte genauso gut kämpfen wie sie. Das ist so dämlich!«
Um ihre Schimpfkanonade zu unterstreichen, knallte Lyra die Faust auf den Tisch und zertrümmerte einen armen, unschuldigen Cheeto. Sie hörte, wie es knackte, hob die Faust, sah, was sie angerichtet hatte, und seufzte tief auf.
»Verdammt.« Ein wenig verlegen richtete sie den Blick wieder auf Jaden. Ihre Nerven mochten zum Zerreißen gespannt sein – genau wie ihr Geduldsfaden –, aber einen Fremden vollzulabern, war vermutlich nicht die Lösung.
»Tut mir leid. Ich … steigere mich da rein. Es war in letzter Zeit nicht ganz einfach.« Der Gesichtsausdruck, mit dem er sie musterte, kam Lyra äußerst seltsam vor. Nun – sie hatte ihn doch loswerden wollen. Sich wie eine entlaufene Irre aufzuführen, war schließlich auch eine Methode.
Allerdings schien das nicht der Grund zu sein, warum er sie so eingehend musterte. Sollte das wirklich … Verständnis sein?
»Das muss dir nicht leidtun. Ich stimme dir durchaus zu.«
»Du –«
»Ich habe dir gut zugehört. Dir steht die Rolle als Alphatier zu.« Lyra konnte nicht umhin zu bewundern, wie rasch er umschalten konnte. Eben hatte er sich noch schrecklich unwohl in seiner Vampirhaut gefühlt, und jetzt war er ganz der sachliche Pragmatiker.
»Du hast mich richtig verstanden. Ich stimme dir zu. Oder besser gesagt: Unter normalen Umständen würde ich dir zustimmen. Aber das hier sind keine normalen Umstände. Laut deinem Vater – der übrigens total verzweifelt ist – hast du nur noch knapp einen Monat, um dir zu überlegen, wie du nicht nur die größeren männlichen Wölfe deines Rudels besiegen kannst, sondern auch diesen bulligen, mörderischen Cousin. Noch dazu in einem Kampf, der vermutlich nicht gerade fair ablaufen wird. Egal ob dir das, was ich dir beibringen könnte, etwas nützt – ich finde, man hätte dich schon aus praktischen Gründen von Anfang an trainieren sollen, aber ich will mich nicht in eure seltsamen Geschlechterprobleme einmischen. Tatsache ist jedenfalls: Bei der kurzen Zeit, die dir bleibt, hast du
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