Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
wir uns unterhalten müssen. Und dann müssen wir mit Lyra reden, damit wir das Gezeter auch hinter uns gebracht haben.«
Als Dorien die Treppe hinaufstieg und unzusammenhängend vor sich hin brummelte, konnte Jaden sich das Lachen nicht verkneifen. Langsam ging er ihm hinterher, auf das anheimelnde, warme Licht im Haus zu. Eigentlich hätte er entsetzt über sich sein müssen oder zumindest hätte er irgendwelche Bedenken haben sollen. Stattdessen fühlte er sich so gut wie schon lange nicht mehr.
Immerhin würde sein Leben – oder was man so Leben nennen konnte – jetzt sehr viel interessanter werden. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er keine Ahnung, was als Nächstes passieren würde. Und auch wenn ein Wolf niemals das unendliche Einerlei des ewigen Lebens verstehen würde, betrachtete Jaden diese plötzliche Wendung als das Geschenk, das sie war.
Jahrelang hatte man ihn versklavt, hatte ihn gefoltert, dann war ihm die Flucht gelungen, und er hatte mitgeholfen, eine Dynastie zu besiegen, damit eine neue entstehen konnte. Niemand konnte behaupten, dass in seinem langen Leben nichts los gewesen wäre. Aber jetzt schien es möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass ihm ein völlig neues Abenteuer bevorstand.
Vielleicht würde ihm Lyra Black in jeder Hinsicht nur Scherereien machen.
Vielleicht aber war sie – wie auch dieser Job – genau das, was er brauchte.
7
Es war schon spät, als Simon sich verabschiedete und schlecht gelaunt nach Hause schlich. Lyra war es nicht gelungen, ihn aufzumuntern. Sie hatte seine Verletzungen oben im Badezimmer so gut es ging versorgt und sich so viel unwirsches Knurren angehört, wie sie gerade noch aushalten konnte, aber letztlich würde ihm nur eins helfen: sich richtig ausschlafen und ein paar Tage seine Wunden lecken. Obwohl sie ihn wie einen Bruder liebte, war sie froh, als sie ihn endlich so weit verarztet hatte, dass sie ihn nach Hause schicken konnte.
Es dauerte eine Weile, bis sie den Mut fand, nach unten zu gehen. Normalerweise scheute sie vor keiner Auseinandersetzung zurück, aber normalerweise war sie auch nicht schuld daran, dass ein Vampir vor ihrem Haus aufkreuzte. Sie vermutete, dass ihr Vater ein Weilchen brauchen würde, bis er darüber hinwegkam, und dass es ohne ein gewisses Gebrüll wohl kaum abgehen würde.
Die Woche war lang gewesen. Lyra hatte Lust, das mit dem Gebrüll noch etwas aufzuschieben.
Schließlich beschloss sie, sich etwas Bequemes anzuziehen und dann hinunterzugehen und es hinter sich zu bringen. Sie schnappte sich eine kurze, baumwollene Pyjamahose und ein Kapuzenshirt, steckte ihr Haar zu einem unordentlichen Knoten auf und lief dann barfuß die Treppe hinab. Im Haus war es ruhig. Ob das ein gutes Zeichen war, konnte sie nicht beurteilen, denn Dorien war es durchaus zuzutrauen, dass er still vor sich hin kochte.
Hoffentlich konnte sie sich wenigstens noch schnell etwas zu essen holen, bevor er über sie herfiel. Ihr knurrte der Magen, und im Schrank lag eine Tüte mit Cheetos, die sie magisch anzog.
Nichts war zu hören, als sie durch den Flur und dann Richtung Küche ging. Dass in der Küche jemand am Tisch saß, war an sich keine Überraschung.
Doch als sie begriff, wer dort saß, traf sie fast der Schlag.
Jadens hellblaue Augen blitzten auf, als er sie sah. Er hatte zusammengesunken über dem schweren Holztisch gehangen, aber jetzt richtete er sich auf und musterte sie rasch von oben bis unten. Er war also immer noch hier, nicht nur in ihrer Stadt, nein, sogar in ihrem Haus. Und ihr Vater war nirgendwo zu entdecken. Sofort kam ihr ein böser Verdacht.
»Was machst
du
noch hier?«, fragte sie. »Was hast du mit meinem Vater gemacht?«
Die Andeutung eines Lächelns spielte um seine Lippen, als er antwortete: »Du hast es wirklich drauf, immer das Schlimmste von mir anzunehmen. Ist dir das schon mal aufgefallen?«
Lyra verschränkte die Arme vor der Brust. »Du brauchst gar nicht so harmlos zu tun. Er hätte dich nie und nimmer ins Haus eingeladen. Wo ist er?«
Jaden seufzte. Er schien sich nicht recht wohl in seiner Haut zu fühlen. »Weggegangen. Er muss sich um ein paar Sachen kümmern. Ich hatte gehofft, er wäre zurück, bevor du runterkommst.«
»Ja klar, und seine Termine hat er auch mit dir besprochen. Meines Wissens hat er heute Abend gar keine.«
»Jetzt schon, jedenfalls wenn ich hierbleiben und dir helfen soll. Er meinte, er müsse alle vorwarnen, dass ich hier bin, und ihnen klarmachen, dass sie mich weder
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