Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
nicht die geringste Chance zu siegen, wenn du so kämpfst wie die Männer.«
Lyra stieß verblüfft die Luft aus, und es klang fast wie ein Lachen. »Die allgemeine Lebensweisheit hier lautet, dass ich keine Chance habe, weil ich zu klein und
eine Frau
bin.« Sie wusste, dass sie die letzten Worte regelrecht herausknurrte, aber sie konnte einfach nicht anders. Hätte sie andere Interessen gehabt, wäre ihr Geschlecht kein Hindernis gewesen. Alles war möglich, nur nicht, dass sie das Rudel anführte, und so hatte sie wegen ihres Geschlechts schon immer gehässige Seitenhiebe einstecken müssen.
Lyra wusste, dass die meisten Frauen sich hätten einschüchtern lassen oder sich zumindest eine andere Aufgabe gesucht hätten. Sie aber hatte das alles nur fuchsteufelswild gemacht. Und noch entschlossener.
Jadens gelassene und ein wenig geringschätzige Reaktion auf all das war genau das, was sie von einem Vampir erwartet hätte, und dennoch fand sie sie seltsam beruhigend. Sie war nicht die Einzige, die das Gesellschaftssystem der Werwölfe unfair fand, unfair und überholt und einfach nur dämlich. Es überraschte sie, dass sie in ihm, genau wie in jener Nacht in Massachusetts, einen Verbündeten fand.
Allerdings hatte sie nicht den geringsten Schimmer, was sie mit dieser Erkenntnis anfangen sollte.
Jaden machte eine wegwerfende Handbewegung. »Größe ist nicht alles. Talent ist wichtiger. Aber in dieser Zwangslage, in der du steckst, brauchst du mehr, als was ein Wolf dir beibringen könnte.«
»Und an der Stelle kommst du ins Spiel.« Lyra schüttelte ungläubig den Kopf und stopfte sich einen weiteren Cheeto in den Mund. »Das ist doch verrückt. Durch und durch irre. War mein Vater etwa so beeindruckt davon, wie du Simon fertiggemacht hast?«
Jaden nickte. »Vermutlich. Mit solch einer Reaktion hatte ich auch nicht gerechnet, aber so ist es nun mal.«
Lyra seufzte und schob eine dem Haarknoten entschlüpfte Locke hinter das Ohr. Auch sie war beeindruckt gewesen. Jaden bewegte sich mit so viel Eleganz, strahlte so viel Kraft aus. Simon kämpfte gut für einen Wolf, aber bei den Werwölfen drehte sich alles immer nur um Klauen und Zähne und Muskeln. Das war durchaus erfolgreich … aber wenn Jaden kämpfte, war das, als würde man dem Meister einer tödlichen Kampfkunst zuschauen. Es sah irgendwie schön aus. Und beunruhigend sexy, wie Lyra sich eingestehen musste. Sie brauchte nur daran zu denken, wie Jaden sich bewegt und Simon aufgemischt hatte, schon gab ihr Motor wieder Vollgas.
»Dorien mag es, wenn jemand gut kämpft«, sagte Lyra und versuchte, sich wieder auf die praktischen Dinge zu konzentrieren. »Simon wird dich allerdings umbringen wollen. Das war hässlich.«
»Für
ihn
vielleicht schon.« Jaden lächelte, ein sinnliches Lächeln, bei dem seine Augen voller Schalk aufblitzten. »Er kann es ja noch mal versuchen. Aber das Resultat wird ihm nicht gefallen.«
»Du darfst ihn nicht umbringen. Auch nicht noch mal verletzen.«
Sein Lächeln verschwand so rasch, wie es gekommen war. »Oh. Mir war nicht klar, dass du einen … Freund hast. Oder Liebhaber? Das würde die Sache verkomplizieren. Vor allem, wenn er sich stellvertretend für dich beworben hat.«
Lyra stieß einen ungeduldigen Knurrlaut aus. »Ja, das hat er, aber nicht weil er mein Liebhaber ist. Simon ist einer meiner besten Freunde, schon seit meiner Kindheit. Und wenn du nicht magst, dass ich voreilig Schlüsse über dich ziehe, dann mach das umgekehrt gefälligst auch nicht.«
Jaden rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Oh«, wiederholte er, und es klang verstimmt.
Lyra verdrehte die Augen. »Ja, oh. Zurück zu dem Thema, über das wir gesprochen haben, bevor du mit deinen seltsamen Vorstellungen über mein Liebesleben abgeschweift bist. Was ich sagen wollte: Mein Vater hat sich vielleicht irgendwie in den Kopf gesetzt, dass du mir ein paar fiese Tricks beibringen kannst, damit ich gewinne, aber ihr beide überseht dabei eine einfache Tatsache.«
»Als da wäre?«
»Ich bin kein Vamp. Ich bin eine Wölfin.«
Jaden legte den Kopf auf die Seite. »Das ist … nichts Neues.«
Lyra rang die Hände und hätte dabei beinahe die Tüte mit den Chips vom Tisch gefegt. »Aber das ist der entscheidende Punkt! Ich kann mich nicht so bewegen wie du. Ich verfüge nicht über diese ganzen abgefahrenen Fähigkeiten, die ihr Vampire habt. Ich kann nur mit dem arbeiten, was ich habe. Und das ist ganz anders als das, was dir schon von Anfang
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