Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
überlagert wird«, triezte er sie. Aber er freute sich über das Kompliment … und das nicht zu knapp. Es war nur ein kleines Entgegenkommen ihrerseits, aber es tröstete ihn über die Pattsituation der vergangenen Woche hinweg. Er begehrte sie. Das würde auch so bleiben.
Er beschloss, sie hin und wieder daran zu erinnern, wenn auch dezent. Das konnte nicht schaden. Vor allem weil sie großartig war, wenn sie nervös wurde.
»Ja, ich hoffe, das macht dir nichts aus. Du siehst aus wie ein Mann, der Rasierwasser benutzt. Und ich rieche gern Dinge, die ich mag.« Sie hielt kurz inne und schüttelte den Kopf. »Du weißt schon, was ich meine. Ich gehe nach dem Geruchssinn. Typisch Wolf eben.«
»Typisch Katze auch, deshalb weiß ich es zu würdigen. Und ich mag es ebenfalls. Danke.«
Sie lächelte. Ein richtiges Lächeln diesmal. Und während Jaden sie so ansah, das flackernde Kerzenlicht, das sich in ihren Augen spiegelte, ihren weichen, zarten Mund und die glänzenden, schimmernden Strähnen in ihrem Haar, da spürte er ein seltsames Ziehen genau in der Mitte der Brust, dort, wo die Seele oder etwas Vergleichbares saß. Er fühlte sich zu Lyra hingezogen von einer Kraft, die Blut allein nie aufbringen könnte … auch wenn der Duft ihres Bluts, dunkel, würzig und wild, ihn umhüllte und verzauberte.
Er hatte immer gewusst, es gab mehr als eine Art Verlangen nach Frauen. Er hatte nur nicht erwartet, jemals sämtliche Arten bei einer einzigen Frau zu empfinden. Eine abgrundtiefe Sehnsucht erfüllte ihn, die er niemals mit einem simplen Kuss oder auch einer ganzen Nacht in ihrem Bett würde stillen können.
Er wusste nicht, was dazu nötig wäre.
Er wusste nur … irgendwie musste er das herausfinden.
Sie sah ihn mit unverminderter Zuneigung an. Jaden hielt den Atem an und wartete, was diese neuerliche Wendung in seiner sprunghaften Schülerin zu bedeuten hatte. Ihre Beziehung hatte bisher vor allem aus Arbeit bestanden, begleitet von – zumeist – wohlwollenden Beleidigungen, die man als Frotzeleien bezeichnen könnte. In ihrem Wesen spürte er die gleiche Vorsicht, die er selbst fühlte. Deshalb verstand er sie in dem Punkt. Aber Jaden wollte immer dringlicher sehen, was sie hinter diesem Schutzschild verbarg. Diese Erlaubnis konnte jedoch nur sie ihm erteilen.
»Diese telepathische Macht ist ja eine feine Sache«, sagte Lyra. »Damit könntest du die ganze Welt beherrschen.«
Jaden zuckte mit den Schultern. »Das setze ich eigentlich nur ein, wenn ich was umsonst haben will. Und manchmal komme ich mir wie der Größte vor, wenn mich jemand Meister nennt.« Sie brachen gleichzeitig in Gelächter aus. »Nein, im Ernst, Meister habe ich jetzt das erste Mal gehört. Dein neuer Freund hat offenbar ein paar tiefsitzende Probleme.«
Lyra gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Obwohl der Hut megasexy war, ist der Kerl nicht mein Typ. Wahrscheinlich müsste ich mich bei ihm auf Peitsche und Ketten einlassen, und das kommt mir nicht in die Tüte.«
»Schade.«
»Schwein«, sagte sie, immer noch grinsend. »Und … danke.«
Jaden heuchelte Ungläubigkeit. »Echt jetzt? Du dankst mir für meine Hilfe?«
Sie verdrehte die Augen. »Du kannst mich mal. Ich hätte mich bestimmt beschwert, wenn ich meinen Spaß gehabt hätte. Aber dieser wandelnden Enzyklopädie für Abseitiges zuzuhören, hat mich schon nach zehn Minuten gelangweilt. Und er war so dermaßen fixiert auf diese Stadt, dass es mich einige Mühe gekostet hätte, ihn loszuwerden. Deshalb: ja, danke.«
Das Gefühl der Nähe zwischen ihnen war mit Händen zu greifen.
»Hast du Lust auf einen kleinen Spaziergang?«, fragte Lyra plötzlich. »Ich brauche Bewegung. Der Regen hat auch endlich aufgehört, also, was meinst du?«
Er schaute sie an. »Ist das ein Versuch, dem Training zu entkommen?«
Eine Mischung aus Schuldgefühl und Ärger verdunkelte ihre Miene. In dem Moment wurde ihm klar, dass sie den Unterricht nicht ausfallen lassen wollte, sondern den freien Abend dringend brauchte.
»Vergiss es. Du hast geschuftet wie ein Vieh. Heute Nacht reicht ein Spaziergang.« Er hatte richtig entschieden. Das wusste er, als er die Erleichterung in ihrem Gesicht sah. Lyra ließ sich so leicht nichts anmerken, aber sie hatte offenbar mehr Schmerzen, als er erkannt hatte. Wenn sie ihm doch nur anvertrauen würde, was in ihrem hübschen Kopf so vor sich ging. Wenigstens ab und zu. Ihre kategorische Weigerung, um Hilfe zu bitten, machte ihm Sorgen, ebenso ihre
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