Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
das glaube ich sofort.« Erneut verfiel Jaden in Schweigen und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Ihr Blick glitt langsam über sein Profil, mit den Augen streichelte sie das, was ihre Finger gern gestreichelt hätten. Da war so viel, das sie nicht von ihm wusste, und unaufgefordert gab er nur sehr wenig von sich preis. Aber jetzt, allein auf dieser Brücke, fühlte sie sich ermutigt, ein wenig nachzubohren.
»So, und wie bist du nun hierhergekommen?«, fragte sie.
Er schaute sie von der Seite an. »Mit dem Auto.«
Lyra zog eine Schnute. »So wörtlich habe ich das nicht gemeint. Ich hatte nie viel Gelegenheit, mich mit Vampiren zu unterhalten, abgesehen von Rogan damals in dem Sicheren Haus, wo ich dich das erste Mal getroffen habe. Und mindestens die Hälfte von dem, was er mir da erzählt hat, dürfte völliger Bockmist gewesen sein.«
Jaden kicherte. »Damit liegst du wahrscheinlich goldrichtig. Ty kannte ihn besser als ich, aber mein Eindruck ging in die gleiche Richtung. Ein durchtriebener Kerl, aber wenn er etwas wollte, konnte er durchaus charmant sein. Damien hat ihm damals den Kopf abgetrennt. Kurz vor Sonnenaufgang.«
Lyra zuckte zusammen. »Wow. Das tut mir leid.«
»Muss es nicht. Das hatte Rogan sich selbst zuzuschreiben. Hätte es Damien nicht getan, dann früher oder später irgendein anderer.«
»Wer ist Damien?«, fragte sie. Sie konnte sich an niemanden dieses Namens in dem Haus erinnern, aber die ganze Geschichte damals hatte sie reichlich Nerven gekostet. Sich dahin zu flüchten, war ihr letzter Ausweg gewesen.
»Er ist ein Cait Sith, wie ich, beziehungsweise wie ich, bevor ich mich den Lilim angeschlossen habe. Er hat allerdings nie zu den Ptolemy gehört, sondern zum Haus der Schatten.«
»Oh.« Lyra zog die Stirn in Falten. »Von denen habe ich gehört, als ich in Chicago war. Das ist die Gilde der Meuchelmörder oder so ähnlich, nicht wahr?«
»Unter anderem«, gab Jaden zu. »Sich mit den Shades einzulassen, ist in der Regel keine gute Idee. Damien ist in seinem Metier spitze. Deshalb ist es nützlich, ihn zum Freund zu haben.«
»Ist er ein guter Freund von dir?«
Jaden deutete ein Lächeln an. »Na ja, eher von Ty als von mir. Sie wurden zur gleichen Zeit umgewandelt und kannten sich damals schon ziemlich lange. Er und ich tolerieren einander, aber richtig trauen werde ich ihm wohl nie.« Er machte eine Pause und wandte den Kopf ab. »Um zu überleben, habe ich viele Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin. Und wenn man so lange lebt und sich irgendwie zwischen Blaubluten und Gossenbluten und deren Intrigen durchschlagen muss … das kann nach einer Weile einen Teil von dir abtöten. Dein Gewissen. Deine Seele. Bei Damien ist das so.«
»Und bei dir nicht?«, fragte sie ruhig. Nicht, um ihn zu reizen, sondern aus ehrlichem Interesse.
Einen kurzen Moment schien er zu überlegen, dann schaute er sie aus seinen in der Dunkelheit weich schimmernden Augen an. »Ich glaube nicht. Natürlich bin ich müde. Ich bin es leid, auf der Flucht zu sein, nie einen Ort zu haben, den man als Zuhause bezeichnen könnte. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Gewissen und meine Seele noch genauso intakt sind wie alles andere auch.«
Sofort kamen ihr schmutzige Gedanken, und sie lief rot an. Sie war sich sicher, dass alles an ihm noch funktionierte. Jaden sah ihr sofort an, was ihr durch den Kopf ging, und lächelte sie warmherzig an.
»Siehst du, das mag ich so an dir, Lyra. Du tust nicht so etepetete, sondern bist sehr … bodenständig.«
Sie musste lachen. »Das fasse ich jetzt mal als Kompliment auf.« Sie lächelte weiter, während sie so dastanden und sich anschauten. Die Beziehung zwischen ihnen fühlte sich ungekünstelt und angenehm an. Vielleicht, weil sie nicht mehr auf rein körperlicher Anziehung gründete … da war mehr.
Vielleicht sogar viel mehr, wenn sie sich nur traute, dem weiter nachzugehen. Hier, wo die Dunkelheit sie umgab, kam es ihr längst nicht mehr so unklug vor.
»Du
magst
mich inzwischen also, hm?«, fragte sie. Ein bisschen flirten konnte nicht schaden. Was sollte groß passieren? Hier in der Öffentlichkeit? Gewissermaßen. Hier war sie doch wohl in Sicherheit. Aber die Art, wie er sie anblickte, weckte die Schmetterlinge in ihrem Bauch.
»Natürlich mag ich dich«, erwiderte er. »Ich hatte gedacht, das wäre längst geklärt.« Er überraschte sie, indem er ihr eine widerborstige Haarsträhne hinters Ohr strich. Seine Hand streifte dabei
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