Erben des Mondes - Grimoire lunaris
Moment, nahm dabei einen Schluck aus dem Glas und fuhr fort: „Wir selbst nennen uns Kinder des Mondes. Unserer Legende nach wurde der erste von uns vom Mond selbst aufgezogen. Vielleicht kennst du die Geschichte?
Eine Frau betete zum Mond und wünschte sich nichts sehnlicher als einen Mann. Der Mond ging auf ihre Bitte ein, wollte aber ihren erstgeborenen Sohn. Sie willigte ein und bekam ihren Mann. Beide waren dunkelhäutig, der Sohn aber war weiß wie der Mond. Der Mann verstieß das Kind und von nun an war er der Sohn des Mondes, der erste von uns
. Über die Jahre wurde die Geschichte auch unter den Menschen weiter erzählt, selbst ein Lied wurde darüber geschrieben.“
„Hijo de la luna“, brach es aus mir heraus. Ich liebte dieses Lied. Malte sah mir in die Augen und nickte.
Vor kurzem hatte ich die Übersetzung im Internet gelesen. In dieser Erzählung handelte es sich bei der Frau um eine Zigeunerin. Und das eben kam mir sofort bekannt vor.
„Aber was genau hat die ganze Mondgeschichte denn mit mir zu tun? Wenn ihr Götter seid, was tut ihr denn hier bei uns?“
„Da hast du mich missverstanden, Victoria.“, erwiderte Malte. „Ich sagte nicht, dass wir Götter wären. Wir wurden in früheren Zeiten nur für welche gehalten. In Wahrheit sind wir Menschen mit besonderen Fähigkeiten, Magier oder, wenn du es so nennen willst, auch Zauberer. Wir sind auch nicht unsterblich, wie es Göttern immer nachgesagt wird. Bisher ist mir von denen aber keiner begegnet. Ich kann es also nicht mit Sicherheit sagen.“ Er schmunzelte. „Nun aber zu dir.“ Er sah mich mit einem durchdringenden Blick an, ehe er fortfuhr. „Du bist hier, weil du wie ein paar andere bei der Geburt auserwählt wurdest. Die auserwählten Kinder werden mit Lùna, dem Wasser aus der Quelle des Mondes, benetzt. Durch sie beziehen wir unsere Energie, unsere Kraft und behalten größtenteils unsere Jugend. Du wurdest bestimmt schon oft angesprochen, dass du dich „so gut gehalten“ hast, oder?“
Das war ich tatsächlich. Aber es war nichts Außergewöhnliches. Meiner besten Freundin Sina ging es genauso. Für uns war es selbst mit unseren fast 19 Jahren noch schwer, in einem Laden Alkohol (auch Bier!) und Zigaretten zu kaufen. Wir mussten jedes Mal den Ausweis vorlegen.
„Nach der Taufe dauert es Jahre, bis wir Kontakt zu den Erwählten aufnehmen dürfen. Die Begleiter, wie ich es einer bin, formen nur die Erinnerungen in ihren Köpfen, damit das Urvertrauen in uns angelegt ist. Wir können es uns nicht leisten, dass einer derNeuen uns aus Nicht-Wissen bekämpft oder zur anderen Seite wechselt. Später können wir ganz normalen Umgang pflegen, als „Bekannte“ oder „Freunde“ auftreten. Bis zu der Nacht, in der ihr gerufen werdet.“
„Und das ist heute Nacht?“ Ich platzte vor Neugier.
„Nein, heute schreiben wir eine der Erinnerungen, der Ruf folgt erst in ein paar Jahren. Du wirst später nicht mehr an die heutige Nacht denken, sie wird aus deinem Gedächtnis gelöscht. Erst nach dem Ruf wird sie wieder gegenwärtig sein, wie viele Nächte, die noch folgen werden.“
Hilfe! Ich wollte nicht, dass meine Gedanken manipuliert und/oder gelöscht werden. Ich fand es cool hier und warum sollte ich nicht gleich hier bleiben?
„Ganz einfach: Du bist zu jung, in unseren Augen noch ein Kind. In deinem Alter ist man noch unverantwortlich, du könntest nicht mit der dir anvertrauten Macht umgehen. Nach Abschluss der Ausbildung werden die dort intensiv trainierten Fähigkeiten oft noch erweitert. Daher wäre es beinahe waghalsig, euch auf die Welt los zu lassen. Es wäre viel zu gefährlich. Erst müsst ihr in eurem normalen Leben genug Erfahrungen sammeln, Selbständigkeit erlernen und noch vieles Weitere. Dann werden die Weißen euch Rufen.“
Die Wiedergeburt
D rei Tage später bemerkte ich wieder diese innere Unruhe. Der Tag schien zunächst so normal wie jeder andere auch. Doch dann hatte ich dieses Gefühl, einen Termin vergessen zu haben, der bald stattfand. Ich durchsuchte Kalender, Handy und sämtliche Zettel an meiner Pinnwand, doch ich konnte nichts für den heutigen Tag Bestimmtes finden. Doch diese Ahnung ließ einfach nicht nach. Ich grübelte und grübelte, doch mein Gedächtnis schien einfach nicht darauf zu kommen.
Nach dem Mittagsunterricht traf ich mich noch mit Freunden in meinem Lieblingscafé. Als wir dort so saßen, uns über dämliche Lehrer und nervende Mitschüler unterhielten, fuhr mir die Eingebung
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