Erben des Mondes - Grimoire lunaris

Leben.
    Auch Elric musterte das Rudel. Ich sah ihm an, dass ihm tausende Fragen im Kopf herumgingen, aber er konnte schließlich nicht offen zeigen, dass er etwas nicht wusste.
    Als wir unsere endgültige Flughöhe erreicht hatten, gesellte sich Tom zu uns. Der menschliche Co-Pilot übernahm das Steuer. Er war der einzige Außenstehende im ganzen Flugzeug. Aurelia muss ihn manipuliert haben. Oder das wird gleich nach unserer Ankunft erledigt.
    „Wieso starrt ihr sie denn so an?“, fragte Tom Elric und mich. „Habt ihr noch nie Werwölfe gesehen?“
    „Einzelne schon. Glaube ich zumindest. Aber so viele? Wie die sich benehmen. Wir fliegen zu einer Mission und die trinken Bier?“ Elric platzte damit heraus, ohne zu überlegen.
    „Sie halten sich nicht an unsere Verhaltensregeln. Sie treten überhaupt nur ganz selten mit uns in Kontakt. Aurelia kennt Martin noch von ihrer Wiedergeburt. Nur deshalb ist er ihrer Einladung gefolgt. Ansonsten kümmern sich die Wölfe nicht um die Probleme der Gemeinschaft. Sie haben sich ausgeklinkt und verfolgen ihre eigenen Ziele.“ Tom sprach in einem neutralen Ton. Er schien das andersartige Leben zu akzeptieren. Im Gegensatz zu Elric, der die Nase rümpfte.
    „Und was wären das für Ziele? Wer die meisten Tattoos hat und wer sich am rüpelhaftesten benimmt? Tolle Vorsätze.“ Elrics Stimme konnte nicht abfälliger klingen.
    „Von einem befreundeten Werwolf habe ich einmal gehört, dass er Sehnsucht danach hatte, eine Familie zu haben. Eine Familie, mit denen er über all das Anders-Sein reden konnte. Mit seiner menschlichen Familie ging das nicht. So schloss er sich einem Rudel an und nahm von nun an dort am Familienleben teil. Die Werwölfe legen großen Wert darauf. Jeder steht für den anderen ein. Alle halten zusammen – bis in den Tod.“
    Das hatte ich nicht gewusst. Plötzlich sah ich die Truppe von einer anderen Seite. Hätte man mir die Möglichkeit oder die Chance gegeben, eine alternative Familie zu wählen – ich wäre ohne zuüberlegen auf sie zu gerannt – egal mit welchen Konsequenzen.
    Auch Elric ließ sich scheinbar Toms Worte durch den Kopf gehen. Sein Blick war nicht mehr abfällig, sondern mittlerweile beinahe verständnisvoll. Umso besser. Die negativen Schwingungen hätten unserer Mission nur geschadet.
    Tom sprach noch einige Worte mit dem Rudel, dann ging er nach hinten zu den Vampiren, die sich zu meiner Überraschung lebhaft mit den Elfen unterhielten. Vor lauter Werwölfen hatte ich doch glatt den Rest unserer Einsatztruppe vergessen. Leider konnte ich nichts verstehen, so sehr ich mich auch anstrengte.
    Als Tom wieder in Richtung Cockpit unterwegs war, stoppte ich ihn und fragte, was es Neues gab.
    „Etienne ist ein sehr guter taktischer Krieger. Er war damals Kommandant im Vampirkrieg Anfang des 19. Jahrhunderts. Selbst Mars ist von seinen Fähigkeiten und Überlegungen begeistert. Die beiden stellen im Moment unsere Angriffstaktik im Groben zusammen – insbesondere listen sie die Fähigkeiten auf. Wenn ihr wollt, könnt ihr zu ihnen gehen und etwas mehr über eure Ausbildung erzählen.“ Er schaute mir in die Augen und überlegte kurz. „Natürlich nur, wenn es euch recht ist.“
    Elric sprang beinahe auf, als Tom weiter ging, und rannte zu Etienne und den anderen. Ich fand dieses Kindergartenverhalten immer noch lächerlich und machte mich selbst nur langsam auf den Weg. Ich trat in dem Moment zu der Gruppe, in dem Elric von seinen tollen Taten berichtete.
    „…absolute Ausnahme, dass ein Neuling bei seiner Wiedergeburt mit zwei Fähigkeiten bedacht wird. Und schon innerhalb der ersten Ausbildungshälfte wurde diese erweitert. Nun bin ich Herr über Feuer und Wasser und bin schneller als der Schall. Ich übe jede Nacht mit meinem Mentor und tagsüber mit meinen Eltern oder anderen Familienmitgliedern. Ich habe alle Bände der „weißen Magie“ mehrmals gelesen und im Training mit den Elfen viele Zauber davon bereits angewandt.“ Endlich hörte er mit seiner Lobeshymne auf. Amélie war wohl auch froh darüber. Sie verdrehte die Augen und schüttelte beinahe unmerklich den Kopf. Etienne jedoch notierte alles penibel auf seiner Liste. Dann blickte er mich fragend an.
    „Soviel habe ich leider nicht zu bieten. Ich kommuniziere mit den Tieren und kann ihre Erinnerungen abrufen. Ich wurde mit der mir geliehenen Macht eines Hexenzirkels seit meinem zehnten Geburtstag in Angriff und Verteidigung ausgebildet. Mir sind jedoch