Erben des Mondes - Grimoire lunaris
war verbraucht.
„Sie kommt zurück, glaub mir!“ Nun hörte ich auch in Lenjas Worten Zweifel. Sie wirkte nicht mehr so zuversichtlich wie zuvor.
Weitere Stunden und viele Reisen von Aurelia vergingen. Sie war schon total erschöpft. Die Übertritte zehrten offensichtlich an ihren Kräften. Doch sie gab nicht auf. Auch Lenja überanspruchte ihre Macht zunehmend.
Es verging eine weitere Stunde. Nun gaben meine beiden Mitstreiterinnen auf. Aurelia setzte sich total erschöpft auf einen Stuhl, den sie uns gegenüber platziert hatte. Lenja kniete mittlerweile vor Victoria. Ihr Gesicht wirkte um Jahre gealtert und dann sah ich es: Eine Träne rollte ihr über die Wangen. Sie blickte verschüchtert zu Boden. Elfen waren Gefühle fremd. Man hatte ihnen antrainiert, ohne Emotionen ihren Job zu erledigen.
„Nein!“, schrie ich immer wieder. „Komm zu mir, Victoria. Meine Prinzessin, meine Seelenverwandte, meine Gemahlin!“
Dieser Gefühlsausbruch war der Tropfen, der bei Lenja und auch bei Aurelia die Tränen zum Überlaufen brachte. Wir saßen da. Völlig hilflos, voller Trauer, als wäre Vic bereits von uns gegangen.
Doch dann spürte ich es. Sie. Ich hörte ein Echo ihrer Stimme in meinem Kopf. Sie hatte eben an mich gedacht. Oder von mir gesprochen.
Dieser Gedanke schenkte mir neue Kraft. Ich sah Lenja und auch Aurelia an.
„Ich kann sie spüren! Ihr geht es gut!“ In meinen Worten lag eine neue Zuversicht, die auch meinen Mitstreitern neue Energie zu schenken schien. Sie strafften sich beide und Lenja nahm mit letzter Kraft ihre Aufgabe als Heilerin wieder wahr.
Ich sandte all meine noch übrige Macht als Zauberer zu Victoria. Ich spürte die Verbindung, die wir über unsere verschränkten Hände hatten. Ich konnte sogar Lenja spüren, die das andere Ende dieser Verbindung zu sein schien. Und wir sandten beide unsere Energie zu Victorias beinahe leblosen Körper.
Dann geschah es. Sie begann heftiger zu atmen, ihr Puls schien zu rasen. Ich erkannte die Euphorie in Lenjas Gesicht. Und auch die Erleichterung in ihren Augen. Sie atmete tief durch und bat mich, meine Macht mit ihr zu teilen. Ich stimmte natürlich zu und reichte ihr meine freie Hand.
Dann betete ich: Bitte, lieber Gott, schick mir meine Prinzessin zurück. Ich werde dir meine ewige Treue schenken, ganz gleich, welcher Prüfung du mich unterziehen willst.
Und in diesem Moment begann ich zu glühen. Ich leuchtete in weiß-bläulichem Schimmer.
Lenja und Aurelia keuchten beide vor Schreck auf. Doch Lenja hielt unsere Verbindung aufrecht. Dann begann Aurelia lauthals zu lachen.
Die Prophezeiung
I ch konnte weiterhin meinen Blick nicht von dem älteren Elric abwenden. War das hier tatsächlich unser aller Zukunft? Würde er doch noch für das Licht arbeiten und das Dunkle bekämpfen? Doch wo war dieser seltsame Ort? Es sah eher so aus wie eine Szene aus einer längst vergessenen Zeit.
„Damit liegst du genau richtig.“ Ich erschrak beinahe zu Tode, als die Stimme hinter mir erklang. Sofort drehte ich mich um und blickte in strahlend blaue, leuchtende Augen, umringt von weißblonden Locken. Mein Gesichtsausdruck schien Bände zu sprechen, daher sprach die Stimme ganz ruhig weiter: „Entschuldige, wenn ich dich erschreckt habe.“
„Aber… ich bin in einer Vision. Wie kannst du… können Sie…“ Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Mein Kopf war leer. Oder überfüllt. Ich konnte das Unfassbare nicht verstehen. Lediglich mein Geist tritt in diese Welt ein. Und er kann weder gesehen noch angesprochen werden. Und er kann auch nicht mit jemandem von hier kommunizieren. Was also war hier geschehen? Ich sammelte alles, was noch an Vernunft in mir übrig war und sprach: „Wie ist das möglich? Wer sind Sie?“
Mein Gegenüber lächelte übers ganze Gesicht und antwortete mir in einem vergnügten Ton, als wäre es das normalste der Welt, dass ich mich mit meiner Vision unterhalten konnte: „Entschuldige, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Ich bin Diana, Gemahlin des Mondes und eine der Moiren. Früher nannte man uns Schicksalsgöttinnen. Und aus genaudiesem Grund bin ich hier. Mein Gemahl ist in großer Trauer. Wir prophezeiten ihm das bevorstehenden Ende eurer Art.“ Ich schluckte nur. Ich brachte keinen Ton heraus. Sie war wer? Die Frau des Mondes? Ich brachte nur ein innerliches Kopfschütteln zustande. Mehr war nicht möglich. Das Ende unserer Art?
Diana nickte. „Ich sah, wie eure Gegner die Keren evozierten.
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