Erdbeerkönigin
»Eine Pause? Aber wir haben doch diese Pause gerade, Nick.«
Er seufzt. »Und offensichtlich sind wir jetzt schon weiter.«
»Und was ist mit unserem letzten Gespräch, bedeutet das denn gar nichts?« Wieder zittert meine Stimme.
Nick schweigt zuerst. Dann sagte er: »Vielleicht eine Art Panikblüte. Ein letztes Aufflackern vor dem definitiven Ende …«
In der Leitung summt die Stille.
»Ich meine, was für einen Sinn haben alle unsere Ideen und romantischen Vorstellungen von gestern, wenn wir uns heute derart streiten? Und wenn du mich jetzt so im Stich lässt.«
Mir wird eiskalt, und mein Magen krampft sich so stark zusammen, dass ich nur noch flach atmen kann. Ich frage leise: »Heißt das, dass du dich trennen willst?«
Ich bringe die Worte kaum über die Lippen. Trennung von Nick? Das ist doch unmöglich! Er schweigt.
»Nick? Sind wir jetzt getrennt?«
Wieder höre ich ihn nur atmen.
Er sagt lediglich vier Worte. Und dann legt er auf.
Nick sagt: »Wenn du das sagst.«
Ich halte das Telefon noch eine Weile in der Hand. Das Einzige, was ich höre, ist mein stoßweises Atmen. Es ist wie nach einem Autounfall. Nach dem Aufprall und dem Lärm ist es totenstill. Wie im Schock stehe ich im Korridor und wippe mit meinem Oberkörper nach vorn und nach hinten. Es dauert ungefähr eine Minute, bis mein Atem sich etwas beruhigt. Dann noch eine weitere Minute, in der ich fassungslos ins Dunkle sehe. Wir haben uns getrennt! Oder? Mich überkommt ein Gefühl kalter Verlassenheit, das wie eine dunkle Welle über mir zusammenschlägt. Mir wird schwindelig und ich muss mich am Türrahmen festhalten. Erst später bemerke ich, dass ich die ganze Zeit trocken dabei schluchze.
Ich sinke da, wo ich stehe, auf den Fußboden und versuche ruhiger zu werden. Es tut so weh. Nick und ich, wir. Jetzt ist es doch auseinandergebrochen. Ich bin allein.
Als meine Tränen versiegen, tue ich das Einzige, was einer Frau bleibt, wenn ihr das eigene Leben unter den Händen explodiert ist. Etwas, das ich schon längst hätte tun müssen: Ich rufe meine beste Freundin an.
Als sie abhebt, sage ich: »Ich bin in Hamburg. Ich weiß nicht mehr weiter.«
Und Alissa sagt das Einzige, was die beste Freundin in einem solchen Augenblick sagt: »Ich komme.«
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17 . Kapitel
Wenn man einen Film über Dein Leben drehen würde, welche Momente sollte dieser auf jeden Fall enthalten?
(Gesprächsstoff: Original)
Die Nacht zu Montag, Tag 13
D ie folgende Stunde verbringe ich damit, die Wohnung auf Alissas Besuch vorzubereiten. Das heißt vor allem, dass ich aufräume und saubermache. Immer, wenn mir Nick einfällt, fange ich an zu heulen. Leider denke ich unaufhörlich an ihn. So kommt es, dass ich beim Aufräumen des Wohnzimmers und beim Putzen von Küche und Bad unablässig heule. Ich heule, als ob nun alle Tränen, die ich bei Mamas Beerdigung nicht geweint habe, aus mir hinaus müssten. Ich heule, während ich die Laufschuhe auf den Balkon räume. Während die Klospülung läuft und ich den Fußboden unter der Toilette wische, jaule ich sogar laut und wütend. »Was denkt der sich nur?« Meine Tränen fließen weiter, als ich mich der Reinigung der Badewanne widme. Durch den Tränenschleier sehe ich gerade noch, dass es dringend nötig ist. Seit meinem ersten Putzen nach meiner Ankunft habe ich den Schrubber nicht wieder angefasst. Das wäre mir zu Hause nie passiert – aber hier ist es mir noch nicht einmal aufgefallen. Schuldbewusst ziehe ich die Nase hoch und greife nach dem Staubsauger.
Welche Belastung Kinder in der Pubertät für die elterliche Beziehung darstellen, weiß nur der, der es erlebt hat.
Unser fröhlicher Sohn verschwand eines Tages unangemeldet, und an seiner Stelle nahm ein kratzbürstiger, schlechtgelaunter Teenager an unserem Frühstückstisch Platz. Unser Familienmodell stand auf einmal nicht nur in Frage, sondern auf dem Kopf. Einst erkämpfte und dann akzeptierte Regeln mussten ständig neu diskutiert werden. Jeden Tag fanden wir neue Fragen und neue Dringlichkeiten vor. Wenn ich
einmal
erlaubt hatte, dass Benny nach Mitternacht nach Hause kommt, bedeutete das automatisch, dass er
immer
nach Mitternacht nach Hause kommen durfte? Und wenn nicht, warum nicht? Darf er mich mit Sätzen wie »Kennst du sowieso nicht!« abspeisen, wenn ich ihn frage, mit wem er unterwegs ist? Ist der Genuss von Alkohol weniger schlimm, weil er von anderen akzeptiert wird? Immer wieder gerieten Nick und ich uns über solche
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