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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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Eisenthuer gehabt, solange er nicht rummeckerte. Udo und auch Bertram, sein Bruder, die haben ihn für einen Schnösel gehalten. Der wollte mit seinen Nachbarn nichts zu tun haben. Im Gegenteil, er hielt sich wohl für etwas Besseres.«
    Er sieht mich fragend an. »Wollen Sie noch etwas zu trinken mitnehmen?«
     
    Als ich etwas später die Stufen zu Daniels Wohnung hinaufsteige, knurrt mir der Magen. Seit dem Frühstück bei Dr. Lenchen habe ich nichts gegessen. Auf Diegos Anregung habe ich noch eine Flasche portugiesischen Rosé mitgenommen. Die Sonne hat die letzten Regenwolken verjagt, und ich sehe mich bereits auf dem Küchenbalkon sitzen und ein Glas gekühlten Wein zu meinem Vorspeisenteller genießen. Doch dazu kommt es erst einmal nicht. Denn auf der Treppe vor der Wohnungstür sitzt jemand, eine Frau, vielleicht Ende zwanzig, mit langen blonden Haaren, einem kurzen Sommerkleid und hohen Stilettos, die mich an gebrochene Knöchel und Wadenkrämpfe denken lassen. Sie springt auf, als ich auf dem Treppenabsatz ankomme, und überschüttet mich übergangslos mit einer wüsten Schimpfkanonade.
    »Ich wollte dich zuerst anrufen, aber dann dachte ich, dass es Zeit ist, dir mal ordentlich die Meinung zu sagen!« Ich starre sie an. Verschwommen kommt mir ein Foto am Kühlschrank in den Sinn. Ich setze meine Tüte mit der Roséflasche ab, während ich den eingepackten Vorspeisenteller auf der einen Hand balanciere.
    »Francesca?«
    Sie tritt auf mich zu, wobei ich neidlos bewundere, mit welcher Sicherheit und Grazie sie sich in den hohen Schuhen bewegt. Sie baut sich direkt vor mir auf und bellt fast: »Jawohl, ich bin Francesca! Aber du brauchst dir meinen Namen gar nicht zu merken. Weil er in deinem Leben keine Rolle spielen wird.« Ihre Stimme kippt. Ich versuche, sie zu beruhigen.
    »Wollen Sie nicht reinkommen und wir reden in Ruhe über alles?«
    Aber damit habe ich wohl den völlig falschen Ton getroffen. Sie wird so wütend, dass ich regelrecht Angst bekomme. Was, wenn diese Irre mich die Treppe hinunterschubst? Oder mir mit einem Stiletto die Augen aussticht? Ich weiche vorsichtshalber ein wenig zurück.
    Glücklicherweise verlegt sich Francesca vor allem aufs Brüllen. Sie kreischt: »In Ruhe? Worüber sollte ich mit dir in Ruhe reden? Es gibt hier nichts zu reden!« Sie packt mein Blusenrevers, zieht mich heftig zu sich heran und zischt: »Hör mal, Herzchen, du putzt jetzt hier presto die Platte! Und deine Scheißgrabrede kannst du dir in deinen Provinzhintern schieben! Was willst du denn über Daniel sagen? Du kanntest ihn doch gar nicht!« Bei diesen Worten lässt sie mich los.
    Ich stolpere rückwärts gegen die Tür und halte krampfhaft den Vorspeisenteller fest.
    Francesca wirft die Haare zurück und wendet sich zum Gehen. Sie wiederholt: »Du kanntest ihn nicht. Du nicht!« Sie bricht in lautstarkes Schluchzen aus. Dann rennt sie erstaunlich schnell die Stufen hinunter.
    Ich bin so erschrocken, dass ich vor der Tür zusammensinke. Ich kann mich nicht aufraffen, die Wohnung aufzuschließen. Erst als sich mein Herz beruhigt hat, nehme ich mich zusammen und trage meine Einkäufe in die Wohnung. Dann lasse ich mich im Wohnzimmer auf das Sofa fallen, kicke die Schuhe von den Füßen und starre zum Fenster. Was für ein Auftritt! Mein Hunger ist verschwunden. So bleibe ich und starre vor mich hin. Langsam komme ich wieder zu mir und versuche meine Gedanken zu ordnen, die sich wie ein Mobile im Kreise drehen und verhaken.
    Mein Handy piept. Benny! Mit einem unguten Gefühl melde ich mich. Wenn mich mein Sohn freiwillig anruft, geht es entweder um Geld oder um eine Katastrophe. Meine Vorahnungen täuschen mich nicht. Benny eröffnet das Telefonat mit einem kläglichen Aufschrei: »Mama, ich brauche deine Hilfe!«
    Sofort ist meine Müdigkeit verflogen. Ich setze mich auf. »Was ist los?«
    Es stellt sich heraus, dass Benny nicht nur seit Wochen die Berufsschule geschwänzt hat, sondern dass auch sein Berichtheft nicht existiert. Und das muss er Ende dieser Woche abgeben.
    »Aber das kannst du doch noch schaffen, wenn du dich zusammenreißt«, versuche ich ihn zu motivieren.
    Aber Benny macht mir keine Hoffnung.
    »Nein, das schaffe ich nie. Mama, du musst mir helfen!«
    »Hast du denn keinen Kumpel, der dich unterstützen kann?«
    Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. Sofort meldet sich mein schlechtes Gewissen. Wäre ich zu Hause gewesen … Aber dann fällt mir ein, dass ich definitiv zu Hause
war,
als er

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